ESL: Mehrkampf-EM 2007 Klobenstein
1. Tag: Pechstein auf der Sprintdistanz Vierte
Die Berlinerin Claudia Pechstein (Bild links) hat auf der von EM-Mitfavoritin Ireen Wüst gewonnenen Auftaktstrecke 500 m den vierten Platz belegt. Damit hat sich die Niederländerin, die in 39,51 Sekunden 77 Hundertstel schneller war, schon ein Polster für die weiteren Strecken geschaffen. “Natürlich bin ich nicht zufrieden. Aufgeregt hat mich der Starter, der so lange gewartet hat. Nach dem Fehlstart wehte der Wind kräftiger, sonst wäre der Abstand zu Ireen bestimmt nicht so groβ geworden”, sagte Pechstein der dpa, “aber ich wäre blöd, wenn ich schon nach den ersten 500 von 10’000 Metern Gesamtstrecke aufgeben würde.”
Durch eine Schlittschupanne gehandicapt (beim Einlaufen hatte sich eine Schraube am Klappmechanismus gelöst), lief Daniela Anschütz-Thoms (Erfurt) noch auf Platz sieben. Lucilla Opitz und Katrin Mattscherodt (beide Berlin) liegen nach der ersten Strecke auf den Plätzen 12 und 15.
Bei den Herren sorgte Sven Kramer (Niederlande) bei seinem 5000-m-Sieg mit 6:15,65 Minuten für eine neue Freiluft-Weltbestzeit. Kramer führt nach zwei Strecken vor Enrico Fabris (Italien), der die 500 m gewonnen hatte, und Havard Bökko (Norwegen). Der Berliner Tobias Schneider (Bild rechts), der über 500 m Elfter und über 5000 m Zehnter wurde, liegt nach zwei Strecken auf Rang 9, der Grefrather Stefan Heythausen (10./15.) auf Rang 14. Damit erfüllte sich Schneiders Hoffnung, Favoriten zu ärgern, vorerst nicht. “Tobias ist die 5000 Meter eigentlich gut angegangen, aber vielleicht doch ein bisschen zu schnell, so dass hinten raus noch Körner fehlten”, sagte Teamleiter Helge Jasch, “positiv ist aber, dass beide unter den ersten 16 liegen. Ich denke, dass das auch am Ende so sein wird, was bedeutet, dass wir auch zwei WM-Startplätze haben werden und im nächsten Jahr drei EM-Starter.”
2. Tag: Freiluft-Rekorde purzeln / Wüst und Kramer vor dem Titelgewinn
Am zweiten Tag der EM war Rekordjagd angesagt. Nachdem Ireen Wüst bei ihrem 1500-m-Streckensieg in 1:56,78 min Anni Friesingers bei den Strecken-WM 2005 in Inzell aufgestellte Freiluft-Weltbestleistung (1,57,21) unterboten hatte, blieben bei den Herren auf dieser Strecke gleich elf Läufer unter Remco Olde Heuvels Bestmarke (1,47,81 min im Oktober 2006 in Inzell). Für ein paar Minuten hatte auch Stefan Heythausen (am Ende Strecken-Achter) den Rekord inne. ßber 3000 Meter der Damen verlor Gunda Niemann-Stirnemann (4:08,54 vor sechs Jahren in Baselga) ihre Weltbestleistung, vier Damen blieben drunter, darunter Daniela Anschütz-Thoms. Den (wie bei allen Freiluft-Bestmarken) inoffiziellen Weltrekord sicherte sich die junge Tschechin Martina Sábliková (Bild links) in 4:03,52 min.
Nach drei Strecken im Mehrkampf liegen mit Ireen Wüst und Sven Kramer zwei Niederländer in Front und sind am Sonntag die Favoriten auf den EM-Titel. Noch Medaillenchancen haben Daniela Anschütz-Thoms und Claudia Pechstein auf den Plätzen vier und fünf. Gold ist aber weit weg – Ireen Wüst hat bereits einen komfortablen Vorsprung auf die Konkurrenz, auf die 5000 Meter gerechnet 14 Sekunden auf die Zweitplatzierte Martina Sábliková, 16 Sekunden auf Renate Groenewold und 16,6 bzw. 20 Sekunden auf Anschütz und Pechstein. Ohne Sturz ist Wüst der Titel kaum noch zu nehmen. “Wir sind hier zwar nicht bei ,Wünsch Dir was’ – aber jetzt wäre es schön, wenn ich am Ende als Zweite einkomme”, hatte Pechstein nach ihren 1500 Metern gesagt – aber auch das dürfte ganz schwer werden, denn auch Sábliková, Groenewold und Anschütz sind starke Langstreckler.
Daniela Anschütz-Thoms (Bild rechts) hatte nach ihrem Material-Pech vom Freitag einen starken zweiten Tag. ßber 1500 Meter wurde sie Dritte hinter Wüst und der Russin Jekaterina Abramowa (7. Pechstein, 10. Opitz, 14. Mattscherodt mit PB); die 3000 Meter beendete sie als Vierte hinter Sábliková, Groenewold und Wüst. Um so mehr ärgerte sie sich über ihre mit lädiertem Schlittschuh verpatzen 500 Meter – nur drei Zehntel schneller, und sie läge im Mehrkampf auf Rang zwei.
Bei den Herren liegt Kramer nur 36 Hundertstelpunkte vor Titelverteidiger Enrico Fabris, was auf 10’000 Meter lediglich ein Polster von 0,7 Sekunden ergibt. Beide sind starke 10-km-Läufer, Kramer gilt aber als leicht favorisiert. Tobias Schneider überzeugte über 1500 Meter mit der neuen persönlichen Bestzeit von 1:47,03, mit der Sechster wurde. Auch Stefan Heythausens 1:47,28 waren sehr stark und bedeuteten Platz acht (und eben für drei Minuten Freiluft-Weltrekord). Im Mehrkampf nach drei Strecken liegt Schneider auf Platz neun und hat das EM-Finale der besten 12 erreicht, die die 10’000 m bestreiten. Heythausen (Bild links) hat dies zwar verfehlt, erkämpfte als 14. aber den zweiten WM-Startplatz für die DESG und zugleich das EM-Startrecht für drei deutsche Männer im nächsten Jahr.
3. Tag: Sábliková mit Rekordtempo zum Sieg / Deutsche auf 4 und 5
Die EM der Damen schien vorentschieden, doch dann gab Martina Sábliková mit ihrer Freiluft-Weltbestzeit von 6:58,45 min (bisher Niemann-Stirnemann 7:05,67) der im letzten Paar laufenden Ireen Wüst (Bild rechts) eine Nuss, die sie nicht mehr knacken konnte. Wüst hatte, auf 5000 m gerechnet, auf Sábliková ein Polster von 14,05 Sekunden, war aber am Ende 14,28 Sekunden langsamer. Mit 162,964 Punkten im Kleinen Mehrkampf (ebenfalls neue Freiluft-Weltbestleistung) hatte Sábliková am Ende 0,013 Punkte mehr als Wüst (was, auf 500 m gerechnet, ganze 16 Zentimeter sind). Dritte wurde Renate Groenewold. Die Deutschen Daniela Anschütz-Thoms und Claudia Pechstein verfehlten eine Medaille knapp und belegten die Plätze vier und fünf. Möglicherweise war es die “lockere Schraube” (an der Kufe!), die Daniela Anschütz in Klobenstein eine Medaille gekostet hat. Das ist um so bitterer, da damit eine 26jährige Erfolgsserie gerissen ist (seit 1981 bei den Damen immer Deutsche auf dem Treppchen).
Auf der Schlussdistanz hatte Pechstein Platz drei belegt, Anschütz war Vierte. Lucille Opitz (Bild links) wurde über 5000 m Neunte, womit sie im Mehrkampf auf Rang acht einkam, Katrin Mattscherodt beendet die EM als 14. Damit hat die DESG bei den Mehrkampf-Weltmeisterschaften am 10. und 11. Februar in Heerenveen das volle Kontigent von vier Startplätzen (ebenso EM 2008 in Kolomna/Russland). “Gekämpft habe ich, aber es ging gar nichts. Ich weiβ nicht, woran es liegt”, sagte Pechstein dem Sportinformationsdienst.
Damen-Bundestrainer Markus Eicher nahm seine Mannschaft aber trotz verpasster Medaille in Schutz. “Von einem Debakel kann überhaupt keine Rede sein, wir haben hier mit Platz 4, 5, 8 und 14 ein hervorragendes Mannschaftsregebnis eingefahren, obwohl die Deutsche Mehrkampf-Meisterin Anni Friesinger gefehlt hat, die sich bekanntlich auf die Sprint-WM konzentriert”, so Eicher, “gut, Claudia Pechstein war vor allem am zweiten Tag nicht auf der Höhe ihres Anspruchs, aber solche schwarzen Tage hat jeder einmal, ich bin überzeugt, dass das nicht ihr letztes Wort war.” Sehr stark hat sich Eicher zufolge sich Daniela Anschütz-Thoms präsentiert. “Sie hat auf der Abschlussstrecke nochmal alles gegeben, lag bis zwei Runden vor dem Schluss auf Medaillenkrus, musste am Ende aber dem hohen Angangstempo Tribut zollen. Ohne das Missgeschick über 500 Meter wäre es aber trotzdem eine Medaille geworden.” Auch Lucille Opitz und Katrin Mattscherodt hätten sich sehr stark präsentiert.
Bei Männern blieb der führende Sven Kramer (Bild rechts) von Fabris’ zwischenzeitlichem Freiluft-Weltrekord von 13:21,51 (bisher Bob de Jong 13:25,64) unbeeindruckt und sorgte in 13:10,44 min für die schnellste 10-km-Marke aller Zeiten unter freiem Himmel. Kramer sicherte sich den Titel vor Lokalmatador Fabris uns seinem Landsmann Carl Verheijen. Tobias Schneider verbesserte sich mit einer starken 10’000-m-Leistung (Platz fünf in 13:34,14) im Mehrkampf noch vom neunten auf den siebenten Platz. An Platz fünf fehlen ihm nur drei Zehntelpunkte.
“Tobias Schneider hatte ein verkorksten ersten Tag, sowohl die 500 als auch die 5000 Meter kann er besser”, sagte Herren-Bundestrainer Bart Schouten, “am zweiten und dritten Tag hat er gezeigt, wie stark er ist. Auch Stefan Heythausen überzeugte, zumindest über 1500 und 5000 Meter. Die 500 kann auch er besser.”
Hinsichtlich der WM-Qualifikation hat die deutsche Mannschaft die maxiaml mögliche Starterzahl für die DESG erkämpft: vier Damen, zwei Herren. Bei den Europameisterschaften 2008 in Kolomna sind nach dem guten Herren-Ergebnis dann drei EM-Starter möglich (Damen weiter das Maximum von vier).