ngx [.info]

Just another WordPress site

Doppelrolle mit Leidenschaft

Author: Redaktion Tuesday, October 11th, 2005 No Commented Under: Eisschnelllauf

Saisonstart-Gespräch: Gunda Niemann-Stirnemann über Zeiten, Ziele und Zahnmännchen

Gunda Niemann-Stirnemann Die Erfurter Eisschnellläuferin Gunda Niemann-Stirnemann (39) bereitet sich auf ihre fünften Olympischen Winterspiele seit 1988 vor.

Mit der Ausnahmeathletin sprach Matthias Opatz.

Der Hauptteil der Saisonvorbereitung ist gelaufen, in ein paar Wochen gibt es schon die Deutschen Meisterschaften. Fühlen Sie sich gut gerüstet?

Ich habe im Training viel investiert, bin verletzungsfrei durchgekommen und fühle mich in einer guten Form. Ich glaube, es lohnt sich, die Olympischen Winterspiele in Turin in Angriff zu nehmen. Es ist aber auch eine große Ungewissheit, was meine Form genau wert ist.

Unmittelbare Vergleiche aus den Vorjahren fehlen mir, und natürlich ist noch einiges zu tun, um die Vorbereitung auch optimal auf dem Eis umzusetzen. Und abgerechnet wird auf dem Eis.

Sie hatten bei allen Trainingsmaßnahmen dieses Sommers Tochter Victoria bei sich. Konnten Sie sich da überhaupt 100prozentig aufs Training konzentrieren?

Auf jeden Fall. Ich will im Sport 100 Prozent geben, aber ich will auch zu 100 Prozent Mama sein. Es ist eine Doppelbelastung, aber ich liebe diese Doppelrolle, auch wenn sie sehr anstrengend ist. Manchmal bin ich abends nach Vorlesen noch bei meiner Tochter eingeschlafen, so geschafft war ich nach dem Tag.

Was bekommt denn ihre inzwischen dreijährige Tochter am liebsten vorgelesen?

Sie ist ein großer Fan von Pumuckl und Benjamin Blümchen, sie schaut sich aber auch gerne mit mir zusammen Bilderbücher an, etwa vom Kindergarten oder übers Zähneputzen. Derzeit fragt sie mir Löcher in den Bauch über die “Zahnmännchen”, die sich auf ungeputzten Zähnen zu schaffen machen sollen.

Ist Victoria auch beim Training dabei?

Gelegentlich, aber in der Regel nicht. Wenn ich trainiere, kümmern sich mein Mann Oliver und meine Schwester als Kindermädchen um sie.

Sie haben in Ihrer Karriere alles erreicht,, was man nur erreichen kann, drei Olympiasiege, 27 Welt- und Europameistertitel, gewannen mit Eric Heiden die Wahl zu den “Eisschnellläufern des Jahrhunderts”. Was trieb Sie an, als Mutter noch einmal ein Comeback zu wagen?

Obwohl das Kind aus heutiger Sicht genau zum richtigen Zeitpunkt kam und mir unheimlich Freude macht, so war das doch damals so nicht geplant. Ich war im vorolympischen Sommer 2001 in der Form meines Lebens, und da habe ich mir gesagt: Ich habe noch Freude am Eislaufen, warum soll ich es nicht noch einmal versuchen?

Seit März 2004 bestritten Sie wegen Verletzungen keinen Wettkampf, der Neuanfang vor Olympia war also doppelt schwer. Haben Sie manchmal gezweifelt, ob das wirklich richtig ist?

Es ist natürlich immer die Frage: Pack ich’s? Es gab auch im Sommer ein Auf und Ab, wie es im Training lief und mit der Motivation. Aber das ist in meiner Karriere auch keine neue Erfahrung. Aufhören stand nicht zur Debatte.

Sie haben aber vor Monaten geäußert, dass sie nach den Deutschen Meisterschaften sofort aufhören, falls Sie sich nicht für die Weltcups qualifizieren.

Ich will nach Turin, und das geht nur über die Weltcups. Das will das schaffen, dafür trainiere ich.

Dafür drücken wir die Daumen. Angenommen, sie haben es geschafft – können Sie sich Eisschnelllauf auch noch nach Turin vorstellen? Immerhin hat sich Kanutin Birgit Fischer, inzwischen 43, Peking 2008 auf die Fahnen geschrieben.

Respekt für sie, aber Birgit Fischer ist in dieser Hinsicht nicht mein Maßstab. Ich höre nach Turin auf. Es gibt noch andere wichtige Dinge im Leben als Sport.

Gunda Niemann-Stirnemann online: https://www.gundaniemann.de

Foto: Sascha Fromm (alle Rechte beim Bildautor)

Comments are closed.