Der deutsche Eisschnelllauf nach Pyoenchang
Nach den abschließenden Rennen im Massenstartrennen ist es nun an der Zeit ein obligatorisches Fazit zu ziehen. Obwohl die Hoffnungen und der Optimismus im Vorfeld der Spiele (berechtigt) groß waren, wurden es die zweiten olympischen Spiele in Folge, an denen die deutschen Eisschnellläufer keine Medaille holen konnten. Mehr noch – die Leistungen von Sotchi wurden abermals unterboten.
Waren bei den letzten Spielen mit Platz 4 und 5 für Claudia Pechstein, sowie Nico Ihle und Samuel Schwarz noch denkbar knapp an den Medaillenrängen dran, so verfehlte man in diesem Jahr mit 3x Platz 8 das Podium schon sehr deutlich. Die Leistungsträger waren erneut dieselben, die es auch schon vor 4 Jahren richten sollten. Und so sollte man wahrscheinlich nicht nur die Frage stellen, was ist passiert, sondern vielmehr, was ist nicht passiert in den letzten 4 Jahren?
Es bleibt abzuwarten, wie die interne Auswertung der gezeigten Leistungen bei Olympia seitens der DESG ausfallen wird. Auffallend ist in jedem Fall, dass die deutschen Sportler nicht auf den Punkt zum absoluten Saisonhöhepunkt fit waren. Dies ist umso verwunderlicher als das es sich vor allem auch, um die Erfahrenen im Team handelt.
Eine kleine Geschichte der olympischen Zeit
Im Jahr “1” nach Sotchi gab es viele sehr gute Ansätze und Tendenzen. So konnte man sich mit beiden Teams für die Weltmeisterschaften qualifizieren und auch im Massenlauf gab es je 2 Starter. Auch alle anderen Strecken wurden durch erfahrene Sportler besetzt
Jan van VeenEin neuer Sportdirektor sollte es richten und den angeschlagenen Verband wieder auf Spur bringen. Aber nicht nur Robert Bartko sollte neue Impulse geben, sondern mit Jan van Veen wurde (nach Bart Schouten) wieder ein erfahrener niederländischer Trainer geholt. Eine der wohl größten Änderungen: jeder Sportler sollte in der neuen Struktur trainieren und Sonderwege sollten wegfallen. Sicherlich ein guter Anfang! Schade nur, dass es nicht funktioniert hat, denn die Bestplatzierten bei diesen Spielen waren ausschliesslich Sportler, die außerhalt des Systems “Bartko-van-Veen” trainiert haben.
Dennoch führte es zu der Situation, dass sich mit Marco Weber und Alexej Baumgärtner gleich zwei erfahrene Teamläufer aus dem Leistungssport verabschiedeten und auch Patrick Beckert suchte für sich einen Weg nach Pyeonchang ohne jegliche Förderung der DESG. Claudia Pechstein macht sowieso ihr “eigendes Ding”. Felix Rhijnen, als Inline-Skater schon mit guten Leistungen über 5000m sah ebenfalls keine Möglichkeit der Entwicklung auf dem Eis, nachdem er, obwohl qualifiziert, nicht zum Weltcup nach Hamar eingeladen wurde.
Positiv formuliert gab es nun die Möglichkeit eines kompletten Neuaufbaus der Mannschaft mit jungen Sportlern. Leider gab es die zu diesem Zeitpunkt nicht, der Umbruch und der Aufbau im Juniorenbereich dauert nunmal eben seine Zeit und kann wohl erst im kommenden Olympiazyklus fruchten. Einzig Joel Dufter gelang in den letzten 4 Jahren ein deutlicher Sprung hin zum Top-10 Läufer im Weltcup.
Durch die rigide und wenig diskussionsfreudige (um es positiv zu formulieren) Art, besonders seitens des Sportdirektors, wurde salopp gesagt in den letzten 3 Jahren sehr leichtfertig mit dem ohnehin knappen Humankapital innerhalb der DESG umgegangen. Nicht nur etliche Sportler aus dem Senioren- und Juniorenbereich wurden durch die neue Linie der „harten Kante“ verschreckt, entmutigt oder gar zum Karriereende getrieben. Auch zahlreiche erfahrene Trainer resignierten unter der neuen Führung, oder gaben aus persönlichen Gründen ihre Tätigkeit im Sport auf. Allein der Stützpunkt Berlin verlor in den letzten 4 Jahren mit Thomas Schubert (Rente), Sabine Diehn (Quereinstieg Schule), André Unterdörfel (Quereinstieg Schule), André Hoffmann (Wechsel nach Dresden) und Karin Drbal (Rente) 5 erfahrene Trainer, deren Weggang im Stützpunkt nur schwer zu kompensieren war. Hierbei war fehlende Wertschätzung ihrer Arbeit eine oft genannte Begründung, wenn man sie an alter Wirkungsstätte wieder traf.
Junioren im Aufwind
Positiv muss man hingegen die Entwicklung in den letzten beiden Jahren unter Eric Bouwman als Bundestrainer der Junioren betrachten. Es kommen inzwischen ein paar Jungs und auch zwei Mädchen mit hoffnungsvollen Vorleistungen aus dem Juniorenbereich heraus. Und auch in den unteren Altersklassen zeigt die verbesserte technische Ausbildung Wirkung. Insofern darf man sich sicherlich auf die in zwei Wochen stattfindende Weltmeisterschft der Junioren in Salt Lake City freuen.
Leider wirken sich die Leistungen der Junioren jedoch nicht auf die DOSB Sportförderung aus und so bleibt abzuwarten (nachdem auch die DKB als Hauptsponsor sich Mitte 2018 zurückziehen wird), welche finanziellen Mittel der Verband in den kommenden Jahren zur Verfügung haben wird.
Wir ALLE sind der Verband
Insgesamt sind die Läuferzahlen im Eisschnelllauf und auch im Short-Track weiter rückläufig. Es gibt weiterhin kein wirkliches gemeinsames Nachwuchskonzept von Short-Track und Eisschnelllauf. Es ist weiterhin kein durchgreifendes Konzept einer gemeinsamen Ausbildung von Eischnellläufern und Inline-Skatern erkennbar.*
Diese drei Sportarten haben in ihrer Charakteristik einfach zu viele Überdeckungen, als dass man nicht hier eine grundlegende Zusammenarbeit initiieren müsste. Es fehlt an Leitfiguren und Vorbildern für die jungen Sportler, um diesen harten Weg des Leistungssports zu gehen und es fehlt letztlich Führungsqualität in der Spitze des Verbandes, solche durchgreifenden Veränderungen positiv in alle Ebenen hineinzutragen und einen neuen Spirit des Um- und Aufbruchs zu erzeugen.
Um Uwe Hüttenrauch aus einem Zitat hier auf der Webseite zu zitieren: “Wir ALLE sind der Verband, sagt ja eigentlich schon der Begriff Verband, das müssen aber auch ALLE begreifen! Im Umkehrschluß bedeutet das aber nicht, dass es KEINE Verantwortlichkeiten gibt. Wenn wir in der Zukunft erfolgreich sein wollen, nützt uns der ausschließliche Import von niederländischen Know-how nichts, sonder WIR müssen aus der Siedlung DESG eine Stadt DESG MACHEN! […] WIR wollen eine starke DESG, d.h. aber auch nicht, ein Verzicht auf einen Blick über den Tellerrand! Lohnt evtl. auch mal ein Blick nach Polen, Tschechien, Norwegen.”
* hinzu kommt eine offensichtlich Unkenntnis (siehe ARD Interview vom 24.02.2018) der Leistungen deutscher Sportler besonders im Inline-Bereich.
wenn von den 2 hoffnungsvollen Mädchen im Juniorenbereich eine für eine Kaderauswahl nicht berücksichtigt wurde trotzdem 5 mal top ten beim Weltcup läuft erschließt sich für mich nicht die Daseinsberechtigung der Entscheider innerhalb der DESG
Man kann aus einen Steckling nur einen großen Baum bekommen wenn man ihn von Beginn an Pflegt und hegt. Dies bedeutet man muss mehr in die Nachwuchsarbeit stecken um wieder neue Talente hervor zu bringen Und die Arbeit der Trainer besser Wertschätzen denn die meisten Trainer machen dies neben Ihrer täglichen Arbeit.
Hallo Robert, das ist Selektion. Auch eine Esmee Visser wäre in Deutschland mit ihren Zeiten kein Kader geworden und jetzt ist sie trotzdem Olympiasiegerin geworden. Ich hoffe die Mädels halten durch und lassen sich nicht entmutigen.
Wo sollen die Olympiateilnehmer 2026 oder 2030 denn eigentlich herkommen, wenn über die Nachwuchsförderung von den Verantwortlichen in der DESG nur schöne Reden gehalten werden, aber die jungen Sportler, die Trainer und die Eltern im “Regen” stehen gelassen werden.
Was die Daseinsberechtigung der Entscheider innerhalb der DESG anbetrifft, stimme ich dir ausdrücklich zu.
Werter Gastautor: Diese Diskussionen ist eine Neuauflage, wie nach den Spielen in Sotschi. Teilweises Halbwissen, Spekulationen, die Schuld nur bei Anderen suchen, fehlende Realität der Personenbezogenen Aussagen, Kooperation u. Gestaltungswillen nur soweit die Eigeninteressen nicht überschritten werden, das erforderliche Leistungsniveau wird individuell u. nicht nach den Erfordernissen betrachtet.
Unsere Sportler u. Trainer haben sicher für bessere Ergebnisse bei den Spielen viel investiert, sie sind die enttäuscht sind u. sich positionieren sollten zu den Ursachen u. Schlussfolgerungen.
Es gibt keinen Erkenntnismangel über Fehler in den Arbeitsebenen, über notwendige Arbeitsweisen, fehlende Vereins- u. Trainerstrukturen, erforderliche Ausbildungswege bzw. notwendige Kooperationen mit Shorttrack / Inliner.
Umfangreiche Arbeit für eine Neuausrichtung wurde in den letzten Jahren geleistet, in breiter Diskussion mit den Mitgliedern/Partner. Das Ergebnis ist leider bei den Spielen nicht spürbar. Wenn unser Miteinander u. der Gestaltungswille sich nicht positiver entwickelt, werden wir uns weiter mit Vorwürfen auseinandersetzen. Zum Glück haben wir zahlreiche motivierte Sportler/innen, Trainer, Eltern , Funktionäre u. Kampfrichte die unseren Sport eine bessere Perspektive führen wollen.
Wenn man bedenkt, dass Herr Heinze jahrelang Präsident der DESG gewesen ist, finde ich die Aussagen von ihm schon wirklich bemerkenswert. Besonders ein Satz lädt mich zum Nachdenken ein: “Es gibt keinen Erkenntnismangel über Fehler in den Arbeitsebenen, über notwendige Arbeitsweisen, fehlende Vereins- u. Trainerstrukturen, erforderliche Ausbildungswege bzw. notwendige Kooperationen mit Shorttrack / Inliner.”
Jetzt stellt sich mir eine entscheidende Frage: gibt es denn die Erkenntnis erst seit Sotchi?
Wenn nein, dann muß sich der ehemalige Präsident die Frage gefallen lassen: Warum hat er in Person und Kraft seines Amtes nicht dagegen gesteuert? Wenn die Erkentnis jedoch tatsächlich erst in Sotchi kam, dann komme ich zwangsläufig zu der Schlussfolgerung, dass die damals verantwortlichen in der DESG ihren Job nicht gemacht haben.
Bevor ich mir jetzt Halbwissen vorwerfen lassen muss: die Negativentwicklung war seit Jahren sichtbar und wurde auch immer wieder thematisiert (z.B. auf dem jährlichen Medienseminar der DESG). Wie stolz war doch der damalige Sportdirektor Schuhmacher als er verkündete, dass die DESG nach Curling der zweitkleinste Verband sei, aber mit den (im Vergleich zu seiner Größe) meisten Medaillen. Diese Aussage stimmte zu damaligen Zeiten sogar, jedoch wollte niemand etwas wissen, von Abgang derer die die Medaillen gewonnen hatten – einige hatten bereits ihr Karriereende verkündet. Es ging uns doch so gut!
Als Bart Schouten (damals Trainer) bei einer anderen Gelegenheit den Vergleich zog, dass wenn die Entwicklung so anhielte, dann (sinngemäß wiedergegeben) “hätten wir bald tschechische Verhältnisse”, wurde er von allen im Verband auf das Schärfste kritisiert. Dies sind nur zwei Beispiele der damaligen “Vogel Strauß Politik”.
Keine Ahnung was schlimmer ist: das nicht wissen oder das nichts dagegen tun… Aber sich jetzt hier hinzustellen und so zu agumentieren, finde ich schon mutig!
P.S.: was die Kenntnis über die “notwendige Kooperationen mit Shorttrack / Inliner” angeht, so hat das vor kurzem gegebene Interview des amtierenden Sportdirektors tiefe Einblicke in die Unkenntnis über den aktuellen Stand des deutschen Inline-Sports gegeben. Wie will man mit jemandem kooperieren, wenn man sein Gegenüber nicht einmal kennt? Nur mal so am Rande gefragt.
Lieber Herr Heinze,
es ist ja nun schon fast eine kleine Tradition, dass wir nicht unbedingt immer einer Meinung sind und waren. Dennoch oder gerade deshalb möchte ich Ihnen hier auch gern antworten, da ich ja einen Teil der Olympiaberichterstattung hier verfasst habe. Ich denke ich habe aufgrund meiner eigenen Erfahrung als Sportler, und auch als Trainer und ehem. Angestellter der DESG ziemlich genaue Kenntnis darum, mit welchen Problemen man sich innerhalb der DESG beschäftigen muss.
Ich stimme mit Ihnen sehr überein, und ihre Worte sind mir dahingehend auch tief in meinen Kopf eingebrannt, dass wenn wir nicht einen Weg finden die grundsätzlichen Wettkampfläufer zahlen wesentlich zu erhöhen, dass wir das internationale Niveau nicht langfristig halten werden können. Nachdem ich selbst über lange Jahre als Eisschnellläufer und als Inline-Skater unterwegs war und auch weiß, mit wieviel Misstrauen und Argwohn mein Weg vor inzwischen 20-25 Jahren verfolgt wurde, entbehrt es nicht einer gewissen Genugtuung, wenn Läufer wie Livio Wenger, oder Viktor Harald Thurop und Linus Heidegger mit besseren Einzelergebnissen aufwarten können als die gesamte DESG.
Es macht mich gleichzeitig jedoch zutiefst traurig, das wir es immer noch nicht geschafft haben, die Brücke zwischen den 3 Sportarten zu schlagen, und eine ehrliche Kooperation in der Nachwuchsgewinnung und aber auch im Hochleistungsbereich zu erwirken. Wir sehen Joerin Ter Moers, die in zwei Sportarten gleichzeitig Medaillen holt. Wir sehen Bart Swings oder Joey Mantia oder Alexis Contin oder die drei Kiwis, die sich in den letzten Jahren massiv in Medaillennähe bei internationalen Meisterschaften brachten, aber zeigen gleichzeitig auf sie und sagen, ja aber das sind Ausnahmetalente, das funktioniert ja eigentlich nicht. Doch es kann ein Weg sein und es ist definitiv nicht der einzige Weg!
Es gibt viele Wege die funktionieren können. Aber sie beginnen immer gleich: Mit einem Traum vom Erfolg und mit der immerwährenden jahrelangen harten Arbeit des Sportler.
Und er wird nur erfolgreich sein, wenn diese jungen hungrigen Sportler ein Umfeld erhalten, welches ihre positive Euphorie und ihren Willen zum Erfolg unterstützt. Es ist Aufgabe eines Verbandes diese Atmosphäre zu schaffen, einen Aufbruchgedanken zu kreieren und sowohl Sportler als auch Trainer und jeden einzelnen Verantwortlichen und freiwilligen Helfer davon zu überzeugen, dass wir gemeinsam diesen Weg gehen möchten. Kann der Verband in seiner Lage mit der derzeitigen personellen Besetzung diese Atmosphäre schaffen?
Es gibt wahrscheinlich nur sehr wenige Sportler und noch weniger angestellte Trainer, die sich hier so offen äußern können, wie ich das jetzt tun kann, ohne Angst vor Repressalien etc. und jeder kann auch gern seine Meinung über mich haben, aber es gibt, so glaube ich eine große Mehrheit in der DESG die meine Meinung teilt, auch in Bezug darauf, dass scheinbar in den letzten 3 Jahren diese Aufbruchstimmung nicht erzeugt wurde.