DESG-Olympia-Notizen vom 23. und 24. Februar 2006
Friesinger sagt 5000-m-Start ab / Shorttracker kämpfen um ihr Prestige / Besuch und Unterhaltung im Olympischen Dorf
Großer Andrang am Donnerstag bei der täglichen Pressekonferenz des Nationalen Olympischen Komitees für Deutschland. Der Grund: Anni Friesinger stellte sich nach ihrem letzten Wettkampf – sie verzichtete auf ihren 5000-Meter-Start – den Medien. Und das, ohne die Enttäuschung zu verbergen, erhobenen Haupts. Zuvor hatte Friesinger als Vierte eine Medaille knapp verpasst, der Mannschaft mit zu Gold verholfen, über 1000 Meter Bronze gewonnen (sechs Hundertstel an Gold vorbei) und schließlich über 1500 m nochmals den undankbaren vierten Platz belegt.
“Meine Akkus sind leer, ein Start über 5000 Meter wäre nicht sinnvoll. Ich brauche Regeneration, zumal die Saison noch nicht zu Ende ist, das Weltcup-Finale in Heerenveen und die Mehrkampf-WM stehen noch bevor”, sagte Friesinger,” aber ich gehe mit lachenden Augen, denn mit einer Gold- und einer Bronzemedaille habe ich mehr erreicht als in Salt Lake City. und ich glaube, dass auch die Bronzemedaille ein wenig golden schimmert, denn sechs Hunderstel, das ist sooo eng! Natürlich hätte ich gern eine Einzel-Goldmedaille gewonnen, aber es hat nicht sollen sein.”
DESG-Sportdirektor erinnerte daran, dass hinter jedem Sportler auch ein Mensch steckt. Zudem hob er die Bedeutung der Mannschafts-Goldmedaille hervor: “Die Läuferinnen haben sch hier zusammengerauft und einen Erfolg errungen, dessen Bedeutung vielleicht noch nicht überall erkannt wird.”
Zwar räumt Friesingers Trainer den Kräfteverschleiß im Mannschaftsrennen als eine der möglichen Ursachen für die unerfüllten Erwartungen in den folgenden Rennen ein, doch Anni Friesinger selbst bereut ihren Einsatz im Team nicht: “Ich hab das gern getan, und diese Goldmedaille hat für mich einen besonderen Wert.” Eine weitere Erklärung dafür, dass Friesinger ihrer Favoritenrolle nicht gerecht werden konnte, könnte ein Belastungsasthma aufgrund des Hallenklimas sein. “Das sind natürlich Bedingungen, die alle Läufer treffen, aber mancher reagiert mehr darauf und mancher weniger. Claudia Pechstein und Anni Friesinger gehören sicherlich zu jenen, die eher allergisch darauf reagieren”, sagte Teamarzt Dr. Volker Smasal, “Ursachen sind in der in den ersten Tagen nachweislich in der Feinstaubbelastung und vielleicht in Ausdünstungen zu suchen, die in einer neu fertig gestellten Halle nun einmal da sind, sei es von neuen Belägen oder Klebern.”
Am Freitagvormittag reiste die 29jährige Inzellerin in ihre Wahlheimat ab, um ein paar Tage abzuschalten, ehe sie sich auf ihrer Heimbahn in Inzell auf das Weltcup-Finale vom 3. bis 5. März vorbereitet.
Auch die Shorttracker stellten sich am Donnerstag der Presse. DESG-Präsident Gerd Heinze stellte eine verstärkte Aufmerksamkeit für diese Sportart in Aussicht, wozu gehöre, mittelfristig hochkarätige internationale Veranstaltungen nach Deutschland zu holen. Arian Nachbar gab sich kämpferisch und sagte, dass er über 500 Meter um den Einzug ins Finale kämpfe. Yvonne Kunze meinte: “Wir hoffen, dass wir mit unseren Leistungen etwas für das Ansehen unserer Sportart in Deutschland tun konnten auch wenn es noch nicht bis ganz an die Spitze reicht.” Diese Spitze verkörpern Trainer Markus Tröger zufolge die Shorttracker aus Südkorea, China und Nordamerika. Mit allen könne man sich jederzeit messen. Mit der Männer-Staffel streben die deutschen mindestens den sechsten Platz an. Tröger: “Das können wir aus eigener Kraft schaffen, wenn wir im B-Finale Australien schlagen. Wird im A-Finale eine Mannschaft disqualifiziert, was bei fünf Teilnehmer zumindest nicht unwahrscheinlich ist, ist sogar Platz fünf möglich.”
An den beiden Ruhetagen (aus deutscher Sicht, denn die 10’000 m der Männer fanden leider ohne deutsche Beteiligung statt) stand für die Starter des Sonnabends die unmittelbare Wettkampfvorbereitung auf dem Programm, während jene Aktiven, die ihren letzten Einsatz schon hinter sich haben, andere Entscheidungen als Zuschauer besuchten oder Unterhaltung in- und außerhalb des Olympischen Dorfs suchten.
Claudia Pechstein wies die Rekorddiskussion über den möglichen vierten Olympiasieg auf derselben Strecke von sich. “Über solche Statistiken kann man hinterher reden, vorher denke ich darüber überhaupt nicht nach”, sagte die 34jährige Berlinerin nach dem Freitag-Training, “ich will eine gute Zeit laufen, und dann werde ich sehen, zu welchem Platz das reicht.” Nach der Auslosung am Freitagabend, die Claudia im letzten Paar gegen Clara Hughes vorsieht, gab sich ihr Trainer Joachim Franke kämpferisch: “Wir haben einen starken Gegner und alle anderen Konkurrenten vor uns, da kann man nicht klagen. Wenn Claudia fit ist, kann sie diese Aufgabe lösen. Es war auf jeden Fall richtig, angesichts der angegriffenen Atemwege af einen Start über 1500 Meter zu verzichten.”
Neben Daniela Anschütz-Thoms werden die deutschen Farben nach der Absage von Anni Friesinger noch von Lucille Opitz vertreten.
Bei den 10’000 Metern der Männer setzte sich mit Bob de Jong ein Niederländer durch, denn nur wenige als Favoriten auf den Olympiasieg vorhergesehen hatten. Mit für die Eis- und Hallenverhältnisse geradezu unglaublichen 13:01,57 Minuten deklassierte er die Konkurrenz deutlich. Die Jahres-Weltbesten Chad Hedrick und Carl Verheijen mussten mit Silber und Bronze zufrieden sein, während für die ebenfalls zu den Medaillenkandidaten zählenden Norweger nur “Blech” blieb (4. Grödum, 5. Sätre, 10.Ervik). Der Dresdner Jens Boden hatte als 20. über 5000 m die Qualifikation für 10’000 Meter verpasst.
Zu Besuch im Olympischen Dorf waren am Donnerstag unter anderen die beiden Teilnehmer am Olympischen Jugendlager des NOK, die Dresdner Shorttracker Robert Seifert und Julia Riedel. “Ich habe alle vier Shorttrackveranstaltungen live gesehen, das war schon toll”, sagte Seifert, JWM-Vierter (mit Streckensieg 500 m), “schade, dass wir morgen schon abreisen, denn die fünfe Veranstaltung hätte ich natürlich auch gern gesehen.” Dafür gab es ein Kräftemessen mit den Shorttrack-Olympiateilnehmern – im Tisch-Fußball. Zumindest in dieser Disziplin konnten die deutschen Shorttracker die gastgebenden Italiener um Fabio Carta (der am Sonnabend im Staffel-A-Finale steht) an die Wand spielen.
Julia Riedel hingegen ließ sich im Spielsalon des Olympischen Dorfs auf ein Kräftemessen mit dem Rostocker Andre Hartwig ein – und zwar im Rennrodeln (ein Computerspiel).
Auch Trainerin Karin Schmidt vom ESV Turbine Rostock stattete zusammen mit Turbine-Vereinschef Peter Anders den Rostocker Shorttrackern in Turin einen Besuch ab. “Man ist schon stolz, wenn zum dritten Mal Shorttracker aus meiner Trainingsgruppe bei Olympia dabei sind”, sagte Karin Schmidt, “die Karten für die Shorttrack-Veranstaltungen sind zwar ganz schön teuer, aber das nehme ich in Kauf.”
Unter dem Motto “Weiberfastnacht” trafen sich zahlreiche Sportler, die ihr Olympia-Programm schon hinter sich haben, zum Athletenabend im Deutschen Haus in Siestriere. Das Deutsche Haus als Begegnungsstätte von Sportlern, Betreuern, Journalisten und Olympiagästen konnte von den DESG.-Mannschaftsmitgliedern leider nur vereinzelt besucht werden, weil die Fahrt nach Siestriere anderthalb bis mehr als zwei Stunden (pro Richtung) in Anspruch nahm.