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Olympia 2010: Maos Fazit im Shorttrack

Author: Gastauthor Tuesday, March 2nd, 2010 No Commented Under: Olympia, Short Track
DESGphoto Aika Klein DESGphoto / L. Hagen

Die olympische Flamme in Vancouver ist verloschen, und am heutigen Abend werden Trainer Éric Bédard und die sechs deutschen Shorttrack-Olympioniken in Dresden erwartet. Viel Zeit zum Ausruhen bleib ihnen nicht, denn nahtlos geht es weiter mit der Vorbereitung auf die Weltmeisterschaften vom 19. bis 21. März in Sofia. Doch hier erst noch einmal Maos Rückblick auf die Tage von Vancouver.

DIE DEUTSCHE MÄNNERSTAFFEL.
Mit Endlaufambitionen angereist, am Ende Platz sieben belegt − nur die im Vorlauf disqualifizierten Italiener lagen noch dahinter. Damit ist das Ziel verfehlt, von einer Enttäuschung kann man dennoch nicht reden, weil sich alle vier (und im Training auch Bex, die Nummer 5) zu 100 Prozent ins Zeug gelegt haben. Wer eine Klasse für sich ist, wie Wang Meng, braucht sich in der Regel um Ansetzungen und Schiedsrichtergunst nicht zu scheren. Bei Gegnern auf Augenhöhe, und ist mit leichten Blick nach oben China ebenso wie Großbritannien mit leichtem Blick nach unten, können aber viele Faktoren den Ausgang beeinflussen. Nicht zuletzt die Tagesform, die bei den Chinesen und später bei den Briten genau gepasst hat. Am Ende steht für das DESG-Quartett derselbe Platz wie 2006 in Turin im Protokoll. „Es war trotzdem nicht dasselbe“, sagt Sebastian Praus (29), der beide Male mit auf dem Eis stand, „vor vier Jahren war die Teilnahme der maximale Erfolg. Niemand dachte je daran, dass ein Finale aus eigener Kraft möglich gewesen wäre. Diesmal war es möglich, aber China war an diesem Tag stärker.“ In der Tat:  Im Jahr vor Olympia stand die deutsche Männerstaffel dreimal in einem Weltcupfinale, außerdem im WM-Finale 2009 in Wien.

DIE DEUTSCHE FRAUENSTAFFEL.
Die war doch gar nicht dabei! Thema verfehlt? Nicht ganz. Überkreuzvergleiche hinken zwar immer, aber man kann ja mal drüber nachdenken: Im B-Finale landete Japan als Letzter hinter den drei europäischen Olympiateilnehmern, die die deutschen Damen bei den Europameisterschaften in Dresden allesamt hinter sich gelassen hatte. Und: Im Endlauf von Dresden hatte Deutschland über zwei Sekunden auf die Niederlande. Wenn man diese Milchmädchenrechnung mal ins Halbfinale der Holländer zieht, wäre Deutschland schneller als dier USA und ergo ins Finale gekommen. Klar: Hätt’ der Hund nicht geschissen, hätt’ er’n Hasen gekriegt. Und wie es mit Deutschland wirklich gelaufen wäre, weiß keiner. Zumindest das kann man schließen: Deutschlands Frauen spielen in der gleichen Liga wie die Teilnehmer des B-Finales.

DIE DEUTSCHEN EINZELSTARTER.
Über Tyson Heung muss man nicht viel sagen: Für das beste deutsche Ergebnis in der olympischen Shorttrack-Geschichte, was sein 5. Platz über 500 Meter ist, gibt’s einfach einen riesigen Tusch! Auch Sebastian Praus’ 1500-m-B-Finale kann sich sehenlassen. Aika Klein von den Platzierungen her unter Wert geschlagen, sie hat sich teuer verkauft! Auch Robert Seifert und Paul Herrmann hatten mehr vor, aber es hat nicht sollen sein − that’s Shorttrack. Da hat man keinen zweiten Wurf.

DIE CHINESEN.
Mit allen vier Olympiasiegen bei den Damen waren sie die großen Gewinner von Vancouver. Wang Meng machte erwartungsgemäß ihre Hausaufgaben über 500 und 1000 Meter. Über 1500 Meter, als sie im Halbfinale disqualifiziert wurde, sprang ihre Kollegin Zhou Yang für sie ein. Auch im Staffellauf lieferten die Chinesinnen ebenfalls die erwartete Weltklasse ab (Weltrekord) − aber überraschend waren auch die Südkoreanerinnen Weltklasse. Schade, dass das spannende Duell am Ende durch eine Kollision (über deren genauen Hergang kontrovers diskutiert wird) und einen nachfolgenden Schiedsrichterspruch entscheiden wurde, und nicht auf dem Eis. Bei den Männern überraschte China vor allem in der Staffel. Nachdem das Team im Halbfinale Deutschland aus dem Rennen geworfen hatte, lief es ein tolles Finale und war bis zu letzt auf Augenhöhe mit den drei Medaillengewinnern Kanada, Südkorea und USA.

DIE SÜDKOREANER.
Zweimal Gold − das war nach Maßstäben der Südkoreaner zuwenig. Sie hatten auch ohne Überflieger (wie vor vier Jahren Ahn) wieder exzellente Shorttracker am Start, andererseits unterliefen ihnen ungewöhnliche viele Stockfehler: Lee Ho-Suk verschenkt im 1500-m-Medaille gleich zwei Medaillen für Südkorea, unverständlich auch die Kapriolen von Kwak im 500-m-Halbfinale und von Sung im 500-m-Finale. Bei den Frauen waren Lee Eun-Byul und Park Seung-Hi Weltspitze − und das war überraschend auch die südkoreanische Frauen-Staffel, auch wenn dies durch die Disqualifikation im Finale unbelohnt blieb.

DIE KANADIER.
Es war 1988 in Calgary, als Shorttrack seine olympische Feuertaufe erlebte, wenn auch zunächst als Demonstrationssportart. Und die Kanadierin Sylvie Daigle war als 1500-m-Siegerin das Trostpflaster für den Super-Gau, nachdem der 88er Gastgeber in den offiziellen Wettbewerben keinen einzigen Olympiasieg geholt hat. Eine Wiederholung dieser Schmach hatten die Kanadier 2010 mit dem aufwendigsten Sportförderprogramm ihrer Geschichte verhindern wollen und können, am Ende war die Zahl der Goldmedaillen klar zweistellig. Doch ausgerechnet die Shorttracker, die 1992 einen sowie 1998 und 2002 je zwei Olympiasieger stellten, standen vor der letzten Shorttrack-Nacht im Pacific Coliseum noch ohne Gold da. Doch danach war die kanadische Shorttrack-Welt wieder in Ordnung: In einem packenden Staffel-Finale gewannen Kanadas Männer ebenso Gold wie kurz zuvor Charles Hamelin über 500 Meter. Mit insgesamt fünf Medaillen war die kanadische Ausbeute standesgemäß.

DIE US-AMERIKANER.
Als ein Glücksfall für Shorttrack erwies sich wieder einmal der US-Amerikaner Apolo Anton Ohno (27). Obgleich er nicht der sportlich Überirdische ist, zu dem ihm manche Medien seines Landes stilisieren, ist er doch einer der ganz großen Shorttracker – und ein Mann mit Charisma und Ausstrahlung, der die Sportart mit allen ihren Eigenarten lebt. Er kann austeilen (gelegentlich über den Spielraum der Regeln hinaus), er kann auch einstecken. Nie hört man ihn Sieger schmähen. So wie er Erfolge zelebrieren kann, nimmt er andererseits Misserfolge oder Disqualifikationen schulterzuckend hin. „That’s Shorttrack!“, sagt er nur. In Vancouver fügte der smarte Schöne mit dem Soul-Stirnband und dem Spitzbärtchen seinen fünf Medaillen von Salt Lake City und Turin drei weitere hinzu, wurde mit nun acht Olympiamedaillen zum erfolgreichsten US-Wintersportler. Doch Stars-and-Stripe-Alleinunterhalter war Ohno nicht: Die Medaillengewinne von Kathrine Reutter, J.R. Ceski und beider Staffeln machen die USA mit Recht zur vierten Großmacht der Shorttrack-Welt.

DIE EUROPÄER.
Sie spielten erwartetermaßen im Schauspiel der vier Großen nur eine Nebenrolle. Die einzige Medaillen, die nicht bei den Topnationen blieb, holte Arianna Fontana (Italien). Bestes europäisches Einzelergebnis neben Fontana Bronze waren Tyson Heungs 5. Platz (500 m) sowie die 6. Plätze der Ungarin Huszar Erika (1500 m) und des Briten Jon Eley (500 m). Die Bulgarin Jewgenia Radanowa, Ex-500-m-Weltrekordhalterin und dreimalige Olympia-Medaillengewinnerin, hat ihren Leistungszenit hinter sich. Mit ihrer sechsten Olympiateilnahme (alle Winterspiele seit 1994 plus Sommer 2004/Rad) erwies sich die 32jährige aber als echte Dauerbrennerin und schaffte noch zwei Topten-Platzierungen (7. über 1500 m, 9. über 500 m).

DIE  ANDEREN.
Japan ist weit entfern von seiner Glanzzeit der 80er und 90er Jahre, als man zu den Großen gehörte: die Damenstaffel Letzter, im Einzel kein einziges Top-Ten-Ergebnis. Der für Australien startende Tatjana Borodulina gelang ein 7. (1000 m) und ein 11. Platz (1500 m).

DIE  ZUSCHAUER.
Die Halle fasste rund 14′000 Zuschauer und war an allen 5 Tagen ausverkauft − und das schon Monate vor den Winterspielen. Gefragter waren wohl nur die kanadischen Eishockeyspiele. Wenn kanadische Shorttracker im Rennen waren, war die Begeisterung unübertrefflich, auch rennen mit US-Beteiligung wurden mit Leidenschaft begleitet. Bei den anderen Rennen war diese Leidenschaft aber plötzlich verschwunden − in den Punkt hätte Dresden die Nase vorn gehabt!

DIE SCHIEDSRICHTER.
Bei allem Respekt vor dem weiß Gott schweren Job der Referees – angesichts der Mittel, die den Referees in Form von Video-Replays aus allen Blickwinkeln zur Verfügung stehen, schienen es mir einige Irrtümer zuviel zu sein. Vielleicht hülfe es schon, die betagten Herren im Entscheideramt durch gut ausgebildete, junge Ex-Shorttracker ersetzen, die noch wissen, wie sich die Attacken im Pulk der Läufer anfühlen – und die Irrtümer der Referees danach.

DAS FERNSEHEN UND DIE MEDIEN.
Natürlich ist Olympia die Gelegenheit, endlich Shorttrack im Fernsehen zu sehen, und es gab auch einiges zu sehen. Aber nicht genug. Warum zur nächtlichen Live-Zeit die Entscheidung häufig gegen Shorttrack gefallen ist, wissen nur die Fernsehgötter. Immerhin: Auf digitalen öffentlich-rechtlichen Nischenkanälen (ZDF-Infokanal und Eins-Festival) kam das meiste live. Diese Kanäle sind den meisten »normalen« TV-Konsumenten zwar ein Buch mit sieben Siegeln, aber echte Fans haben natürlich die Live-Streams dieser Sender im Internet ausgemacht. Die Zahl der deutschen Presse-Berichterstatter war im Pacific Coliseum leider stets überschaubar. Schade, denn die Erfahrung zeigt, dass bei Außenstehenden ohne hochklassiges Live-Erlebnis Interesse für diese Sportart kaum zu wecken ist. Da auch die erhoffte Sensation einer Medaille ausgeblieben ist, werden es wieder vier ganz, ganz harte Jahre im Ringen um Medienpräsenz.

Quelle: Maos Heatbox

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