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Posse um Nationenwechsel beendet

Author: Dirk Gundel Tuesday, January 5th, 2010 No Commented Under: Eisschnelllauf
DESGphoto Jorrit Bergsma DESGphoto / L. Hagen

“Die niederländischen Marathonläufer, die für Kasachstan bei den Olympischen Spielen starten wollten, stellen ihre Bemühungen dahingehend ein.” Mit diesem lapidaren Satz beendete Coach Jillert Anema am Samstag die Posse um das niederländische Marathonteam BAM. Wobei Posse noch das falsche Wort ist, geht es doch auch um gefälschte Urkunden und Falschaussagen. Der Beginn dieser Geschichte liegt etwas im Dunkeln, die Öffentlichkeit wurde auf die “niederländischen” Kasachen erstmals am 3.Oktober in Berlin aufmerksam. Neben Frank Vreugdenhil, dessen Wechsel nach Kasachstan bereits seit längerem bekannt war, wurden auch Jorrit Bergsma, Robert Bovenhuis, Arjan Stroetinga, Christijn Groeneveld und Rob Hadders als Kasachen gemeldet und liefen auch in deren Nationaltrikots.

Einige Tage später am 08.10. vermeldete “De Telegraaf“, dass die betreffenden Sportler für Kasachstan bei den Olympischen Spielen starten wollen. Nach und nach kamen immer mehr Details ans Licht, offenbar hatte der Kasachische Verband dem KNSB per Fax die Pässe der Sportler zugesandt, zugleich soll die Einbürgerung bereits im Januar 2009 passiert sein. Der Januar war deshalb so wichtig, weil die Sportler bei einem Nationenwechsel ein Jahr lang nicht bei den Olympischen Spielen starten dürfen. Es schien also alles nach Plan zu laufen, doch dieser Schein trügte.

Der erste, der über die Situation nachdachte, war Robert Bovenhuis, er startete nicht bei den kasachischen Weltcupausscheidungen, weil er befürchtete in den Niederlanden ausgebürgert zu werden. Die anderen Sportler vertrauten weiter ihrem Trainer und schafften die Qualifikation für die Weltcups. Geplant war die Konzentration auf den Teamlauf, aber vor allem Bergsma überzeugte auch über 5000 Meter. Er lief erst in Berlin 6.28 min und dann nochmal einen neuen Bahnrekord in Tseljabinsk.

Dann der erste Schock für das BAM-Team. Die ISU erteilte keine Startberechtigung für die Weltcups, weil erhebliche Zweifel an der Echtheit der Dokumente vorlagen. Kurz gesagt, für die ISU waren die Läufer keine Kasachen. Auf Grund der breiten Berichterstattung in den niederländischen Medien wurde auch die niederländische Immigrationsbehörde auf den Fall aufmerksam. Und nun nahm die Geschichte Fahrt auf. Jillert Anema, der den Coup mit dem kasachische Vizepräsidenten und ehemaligen Spitzenläufer Sergej Tsybenko geplant hatte, übersah dabei einen wichtigen Paragrafen. Demnach verliert seine niederländische Nationalität, wer freiwillig eine andere annimmt. Das bedeutete im Klartext, sind die Marathonläufer tatsächlich Kasachen, ist ihr niederländischer Pass ungültig und sie somit illegal in den Niederlanden, weil Kasachstan bekanntlich nicht zur EU zählt.

Für den KNSB waren die Athleten keine Niederländer mehr, für die ISU waren sie keine Kasachen. Doch noch immer glaubten Anema und seine Läufer an eine Chance. Der Coach bemühte sich bei den Behörden um eine Aufenthaltserlaubnis, die er nach eigenen Angaben auch bekommen hätte. Zugleich wurden die Gerichte bemüht und viel Geld für Anwälte ausgegeben.

Und nun der nicht ganz freiwillige Rückzug der Läufer. Entscheidend war ein Machtwort des Sponsors, der dem Spuk ein Ende machte. Und so ganz nebenbei kommt heraus, dass die Läufer gar keine Pässe unterschrieben haben, also das was an den KNSB gefaxt wurde, nur eine Fälschung sein konnte.

Für die betroffenen Sportler bleibt nur Ärger, verlorene Einnahmen und eine verpasste Olympiachance, im Fall des Jorrit Bergsma vielleicht sogar eine Chance im niederländischen Olympiateam. Anema ist sich keiner Schuld bewußt und verweist nicht zu ganz unrecht auf Fälle in der Vergangenheit, in denen diese Nationenwechsel entsprechend der Regularien der ISU möglich waren und durchgeführt wurden. So halten niederländische Läufer noch immer Landesrekorde in Belgien, Luxemburg und Tschechien, starteten für Frankreich, Schweiz, Österreich, Norwegen und auch Deutschland. Einschränkungen hinsichtlich des Nationenwechsels, wie in anderen Sportarten üblich, sind kaum vorhanden. Das was diesen Fall von den anderen unterschied, war die Tatsache, dass es gleich fünf Läufer auf einmal waren und zudem nicht der Wechsel in ein Nachbarland, sondern in ein tausende Kilometer entfernten Staat erfolgte. Bleibt zu hoffen, dass die ISU aus diesem Fall lernt und die Regularien überarbeitet. Die IAAF (der internationale Leichtathletikverband) hat dies vorgemacht, nachdem plötzlich Läufer aus Bahrein oder Quatar dank kenianischer Importe die Weltspitze mitbestimmten.

Ermittlungen im Fall Smit/Wojcicka

DESGphoto Katarzyna Bachleda-Curuś DESGphoto / L. Hagen

Der Niederländische Olympische Sportverband NOC-NSF hat nach den schweren Bestechungsvorwürfen der Polin Katarzyna Bachleda-Curuś (früher Wójcicka) gegen Gretha Smit und ihre damalige Trainerin Ingrid Paul eine dreiköpfige Untersuchungskommission eingesetzt.

Wie die Nachrichten-Agentur ANP berichtet, gehören zu dem Gremium das frühere IOC-Mitglied Els van Breda Vriesman, der Vorsitzende der Niederländischen Radsport-Union (KNWU), Marcel Wintels, und der Chef de Mission in Sydney 2000, Jan Loorbach. Sie wurden von der NOC-NSF-Präsidentin Erika Terpstra und dem Präsidium des Niederländischen Eislauf-Verbandes KNSB berufen.

Mitte Dezember hatte die die polnische Läuferin öffentlich gemacht, dass ihr bei Verzicht auf einen Olympia- Startplatz 2006 über 5000 Meter 50 000 Euro geboten worden seien. Mit der Bestechung sollte der Niederländerin Gretha Smit, der Olympia-Zweiten von 2002, der Start in Turin ermöglicht werden. Sie wäre die erste Nachrückerin gewesen. “Sie haben mich zwei, drei Tage nach meinem guten 1000-m-Rennen aufgesucht und mich gefragt, ob ich eventuell auf die 5000 Meter verzichten würde, damit Gretha Smit dort olympisches Gold gewinnen kann. Das war nicht sauber”, hatte die Polin Katazyna Wojcicka im NOS-Fernsehen berichtet. “Das war für mich wirklich viel Geld, doch ich habe Nein gesagt. Da gehe ich nicht drauf ein. Ich starte selbst, auch wenn ich Letzte werde. Einfach nur, um zu zeigen, dass nicht jeder mit Geld zu kaufen ist”, sagte die Polin, die dann tatsächlich mit großem Abstand den letzten Platz belegte.

Dabei behauptete Katarzyna Bachleda-Curuś, dass die damalige Trainerin des privaten Telfort-Teams, Ingrid Paul, das Angebot unterbreitet hätte. Paul ist inzwischen Auswahl-Trainerin in Kanada und betreut mit Christine Nesbitt und Kristina Groves auch Top- Favoritinnen für die Olympischen Spiele in Vancouver. Sie bestreitet zumindest teilweise die Vorwürfe. “Ich weiß gar nicht, wo ich so viel Geld hergehabt haben soll”, sagte sie gegenüber dem NOS. Anschließend räumte sie aber ein, dass sie bei anderen Athleten nachgefragt habe, ob sie ihr Startrecht in Anspruch nehmen.

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