Sang-Hwa Lee siegt vor Jenny Wolf und Beixing Wang
Jenny Wolf konnte ihren Traum von einer goldenen Olympiamedaille nicht verwirklichen. Im zweiten Lauf gelang es der Berlinerin nicht den Rückstand aus dem ersten Lauf auf die führende Koreanerin Sang-Hwa Lee (76,09 Punkte) aufzuholen. Am Ende fehlte Jenny die Winzigkeit von nur vier Hundertstel um in die Fußspuren früherer deutscher Olympiasiegerinnen wie Helga Haase (1960), Karin Enke (1980) und Christa Rothenburger (1984) zu treten.
“Ich habe auf der Ziellinie ihren Fuß neben meinem gesehen, da war mir klar, dass es nicht gereicht hat.”, so Jenny Wolf. Etwas enttäuscht sagte sie nach dem Wettkampf: ”Jetzt ist es eben Silber, aber damit kann ich leben” und führte fort: “Jetzt habe ich meine Olympia-Medaille, die wollte ich immer haben, und es wird auch sicher die Zeit kommen, wo ich mich noch mehr darüber freue.”
Es gewann in Punkten die erst 20-jährige Koreanerin Sang-Hwa Lee (76,090) vor Jenny Wolf (76,120) und der Chinesin Beixing Wang (76,620). Für Südkorea ist es bereits die zweite Goldmedaille im Eisschnelllauf. Tags zuvor hatte Tae-Beom Mo bei den Männern über die selbe Distanz den Olympiasieg errungen.
Unmittelbar nach dem ersten Rennen war sich Jenny Wolf bereits über ihre gemachten “Fehler” bewusst: “da habe ich ein bisschen neben mir gestanden. Im zweiten Lauf habe ich gezeigt, was ich draufhabe, aber insgesamt war ich leider ein bisschen zu langsam.” Beixing Wang, die ursprünglich als stärkste Gegenerin von Jenny Wolf gehandelt wurde, konnte am gestrigen Tag dieser Rolle nicht gerecht werden und blieb während des ersten Durchgangs weit hinter ihren Möglichkeiten zurück. “Da fiel schon etwas die Spannung ab”, sagte Jenny Wolf die Wang zuvor auch als ihre stärkste Gegnerin eingeschätzt hatte.
Als dann noch der ein Sturz der vor ihr gestarteten Annette Gerritsen (NED) mit einer kurzen Unterbrechung und ein Fehlstart von Lee hinzukamen, wurde auch die sonst sehr nervenstarke Jenny Wolf nervös: “Wenn jemand einen Fehlstart macht, bin ich immer etwas wackelig”, sagte Wolf, “Ich war mental nicht stark genug, in dieser Situation locker zu bleiben”
Letztendlich brachte dann der erste Lauf auch die Vorentscheidung. Nach ihrem Angang von (für ihre Verhältnisse eher durchschnittlichen) 10,26 sec, wurde sie von Sang-Hwa Lee in der zweiten Kurve eingeholt und verlor mit nur 6 Hundertstel ihr Rennen. “Es lief eigentlich gar nicht so schlecht. Es ist noch alles drin. Jetzt muss ich halt die Innenkurve meines Lebens laufen”, sagte sie im ZDF-Interview vor dem zweiten Durchgang.
Doch am Ende reichte es nicht! Fast schon etwas prophetisch hatte sich Jenny Wolf in einen Interview vor Olympia geäußert: “Wer es nicht schafft eine zweite perfekte Innenkurve zu laufen, der darf nicht Olympiasieger werden.” Leider wurde diese Aussage gestern für die so sympathische Berlinerin traurige Wahrheit, denn obwohl deutlich schneller und aggressiver im zweiten Durchgang, war eine Unsicherheit eingangs der zweiten (Innnen)Kurve zu sehen, die sie vielleicht den Sieg kostete. Aber ein “vielleicht” zählt nicht im Sport.
Die Enttäuschung über das verlorene Gold währte jedoch (zumindest nach außen hin) nicht lange. Nach einer halben Runde der Besinnung und Erholung klatschte sie aufmunternd in die Hände und winkte ihren Fans und den Zuschauern: ”In diesem Moment habe ich mir gesagt: ‘Du hast Silber gewonnen, und darüber sollte man sich freuen’”, sagte Jenny. Bei Thomas Schubert, ihrem Berliner Heimtrainer, wollte sich hingegen die Freude über das gewonnene Edelmetall noch nicht so schnell einstellen: “Sie hat nicht Silber gewonnen, sondern Gold verloren, so einfach ist das”, sagte er im Anschluss und fügte hinzu: “Seit geraumer Zeit besteht der 500m-Sprint aus zwei Läufen. Ein Guter reicht halt nicht aus.”
Wie es für Jenny Wolf nach Olympia weitergehen wird ist indes noch unklar und eine endgültige Entscheidung über die Fortsetzung ihrer Karriere ist noch nicht getroffen. Im Deutschen Haus äußerte sie sich später: “Für mich sind Olympiasieger immer noch die größten, deshalb glaube ich im Moment, dass ich es in vier Jahren noch einmal versuchen werde.” Ob dies wirklich so kommen wird, darf indes zumindest etwas bezweifelt werden. Nicht nur ihr Trainer sieht dies so: “Ich kann nicht glauben, dass sie es nochmal versucht. Ich denke, sie hat eine andere Lebensplanung”, sagte Schubert.
Jenny die Germanistik studiert hat und sich zur Zeit in einem BWL-Studium befindet, um auch noch “etwas richtiges zum Lebenserwerb” zu studieren, will im Sommer ihren langjährigen Freund heiraten. Bei den nächsten Olympischen Spielen in Sotschi wäre die Berlinerin 35 Jahre alt. Für eine Überraschung ist Jenny Wolf aber immer gut und es bleibt abzuwarten wie sie sich entscheiden wird.
Diese Olympischen Spiele will sie jetzt aber mit ihrem Freund und ihrer Familie genießen und vielleicht steht sie im Richmond Olympic Oval bald wieder auf dem Eis. Denn wie sie sagte: “Es war eine Riesenstimmung in der Halle, und die Rennen haben Spaß gemacht. Ich wüsste nicht, warum ich nicht auch über die 1000 Meter am Donnerstag starten sollte”