In Inzell nochmal gut die Kurve kratzen
Gespräch mit Jenny Wolf, 500-m-Weltcupsiegerin von Turin
Jenny Wolf, herzlichen Glückwunsch zu diesem Weltcupsieg über 500 m. Es ist nicht ihr erster Weltcupsieg, aber der erste, der richtig ernst genommen wird …
Ja, stimmt schon, meine Siege über die nicht-olympischen 100 m haben bei weitem nicht die Aufmerksamkeit erzeugt wie jetzt. Es ist schon ein tolles Gefühl, obwohl ich mit meinem lauf trotzdem nicht zufrieden war.
Warum nicht?
Der Angang war nicht so explosiv wie gewohnt, ich kann da ein Zehntel schneller sein, und in der zweiten Innenkurve lag auch auch ziemlich daneben. Jedenfalls war von der Zeit her möglich.
Ein bisschen haben sie wohl auch von der Disqualifikation von Weltmeisterin Wang Manli im letzten paar profitiert, oder?
Ja, sie hätte schneller laufen können. Aber andererseits war ja die Strenge der Kampfrichter hier in Turin bekannt, die jede Bewegung vor dem Start bestrafen, da konnte und musste man sich darauf einstellen. Es ist dann ein wenig überraschend, dass einer so erfahrenen Sprinterin wie ihr ein zweiter Fehlstart passiert.
Wer waren denn die ersten Gratulanten?
Zunächst erst einmal mein Trainer, und dann gleich meine Schwester Julia. Sie war ebenfalls Eisschnellläuferin und ist jetzt Kampfrichterin. In Turin ist sie allerdings als einer der fachkundigen Helfer des italienischen Fernsehens eingesetzt.
Schon vor der Saison hatten Sie gesagt, dass Sie bei den Winterspielen von Turin über 500 Meter mit um die Medaillen laufen wollen. Spätestens jetzt werden sie die Skeptiker, die vielleicht im Stillen gedacht haben: “Die nimmt ja den Mund ganz schön voll!”, überzeugt haben.
Für mich selbst ist es keine Überraschung. Ich weiß aber nicht, ob es gut war, ausgerechnet jetzt in Turin zu gewinnen, denn das baut natürlich auch Druck auf. Aber es sind zwei grundverschiedenene Wettkämpfe, bei den Winterspielen wird vieles anders sein.
Welche Bedeutung hat für Sie der nächste Weltcup in Inzell, der ja als Freiluft-Wettbewerb nicht unbedingt als Olympiatest gezählt weden kann.
Für mich ist schon auch Olympiavorbereitung, denn die engen Kurven in Inzell haben mir immer ein paar Probleme gemacht. Die sind immer eine Herausforderung, der ich mich aber gern stelle, um sicherer zu werden Außerdem spürt man in Inzell immer wieder richtig, das Eisschnelllauf ein Wintersport ist, ich laufe einfach gern dort.
Vielleicht können Sie sogar die Weltcupführung übernehmen, denn die Chinesen werden in Inzell nicht am Start sein.
Werden sie nicht? Das wusste ich nicht. Ich werde so oder so mein Bestes geben.
Einen zweiten Freiluft-Weltcup gibt es Ende Januar in Klobenstein. Ist das so kurz vor den Olympischen Winterspielen noch ein Thema für Sie?
Ich möchte schon gern auch dort laufen, habe auch mit meinen Trainer Thomas Schubert schon darüber gesprochen, aber entschieden ist noch nichts.
Wie gefällt Ihnen die Turiner Olympiahalle?
Die Halle ist sehr schön, und die Räumlichkeiten zum Umkleiden usw. sind auch sehr komfortabel. Die Wege außerhalb der Halle sind derzeit noch ein wenig abenteuerlich, aber das wird sicher in zwei Monaten anders sein.
Das Eis ist nicht sehr schnell, aber ich habe mit langsamem Eis keine Probleme, das hab ich ja bei manchen Trainingseinheiten in Berlin auch. Hauptsache, die Bedingungen sind für alle gleich.
Sie sind als Leseratte bekannt. Welches Buch ist den in Turin in ihrem Gepäck?
“Neue Leben” von Ingo Schulze. Weit bin ich aber noch nicht gekommen, denn man trifft immer wieder Leute, die man kennt, und das geht die Zeit rum. Und nach einem Weltcupsieg kommt man erst recht nicht mehr zum Lesen.
Am dritten Weltcuptag haben Sie keinen Start. Schauen Sie sich die Rennen der anderen an?
Diesmal nicht. In Turin gibt es das einzige Filmmuseum von Italien, und das muss ich als Filmfan natürlich unbedingt sehen.
Welches ist denn Ihr Lieblingfilm?
Einen ausgesprochenen Lieblingsfilm habe ich nicht. Es gibt aber ein paar Filme, die habe ich mir schon ein paarmal angesehen und die würde ich auch jederzeit wieder ansehen, zum Beispiel “Fargo” von den Coen-Brüdern.
Oh, ein Krimi, in dem es für die Verbrecher alles andere als planmäßg läuft. Ich hoffe, in Ihrem Olympia-Countdown läuft stattdessen alles planmäßig. Viel Erfolg dabei!
Gespräch: Matthias Opatz