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Erster DDR Meister im Gespräch

Author: Dirk Gundel Saturday, March 27th, 2004 No Commented Under: Historie

Nach dem 2. Weltkrieg waren es wenige “Verrückte” die sich für den Eisschnelllauf interessierten. Einer dieser Läufer sollte bald in die Geschichte eingehen. Nachdem auf Grund der ungünstigen Witterung die für 1952 erstmals geplanten DDR-Meisterschaften in Crimmitschau-Frankenhausen ausfielen, war es ein Jahr später so weit.

1953 fanden gleich zwei “Deutsche Meisterschaften der DDR”, wie es damals hieß, statt.

Im März bei den Kleinbahnmeisterschaften (133 Meter Bahn) in der, siegte der 18jährige, inzwischen leider verstorbene, Berliner Dieter Luhde, vor dem 16jährigen Helmut Kuhnert, der bald in die Weltspitze vorstoßen sollte, und dem Treptower Erich Löwenberger. Die Ehre des ersten DDR-Meisters schnappte Dieter Luhde jedoch ein Anderer weg.

GeisingDenn im sächsischen Geising (Bild) fanden bereits am 14. und 15.Februar 1953 die Meisterschaften im Eisschnelllauf statt.

Souveräner Sieger wurde der damals 18jährige Günter Samp, ein Schützling von Herrman Kittlaus. Günter Samp siegte auf allen vier Strecken und gewann damit auch souverän den Meistertitel, Zweiter wurde Dieter Luhde, Rang Drei belegte Helmut Kuhnert.

Mit dem ersten DDR-Meister sprach desg.de

Herr Samp, ihr großer Triumph liegt mittlerweile 51 Jahre zurück, können Sie sich überhaupt noch daran erinnern?

Ja natürlich, der Wettkampf fand auf der neuen Eisbahn in Geising statt. Die Bedingungen waren damals schlecht, es war viel zu warm und das Eis war rissig. Deshalb waren die Zeiten auch nicht so gut. Ich habe auf allen Strecken gesiegt, es war ein tolles Erlebnis.

Die DDR-Führung hatte sich im Jahr davor entschlossen, aus dem kleinen Teich in Geising eine Eisbahn zu bauen. So wurden wenn ich mich richtig erinnere insgesamt 6 Millionen Mark investiert, durch Bergsprengungen der Teich vergrößert, ein paar Gebäude aufgestellt und ab dem Winter 1952/1953 fanden Wettkämpfe dort statt.

Allerdings erwies sich das Wasser als recht kalkhaltig und außerdem gab es innerhalb weniger Stunden starke Temperaturschwankungen mit sehr viel Föhn. Dadurch entstandenen Risse im Eis und es kam des öfteren zu schweren Stürzen.

Ich kann mich auch noch erinnern, das wir nach Geising mit dem Zug gefahren sind, während wir zu den Eisbahnen in Dresden oder Crimmitschau mit alten Bussen unterwegs waren und das über viele Stunden, denn die Autobahn wie es sie heute gibt, war damals nicht befahrbar.

Wie kam ein junger Mann so kurz nach dem Krieg zum Eisschnelllaufen ?

Ich war sehr sportlich, spielte Handball und Fußball und betrieb Leichtathletik. Im Winter bin ich dann in Berlin-Weißensee auf den “Weißen See” gegangen, um dort ein wenig auf dem Eis zu laufen. Ich hatte damals “Holländerschlittschuhe” und bewegte mich leidlich vorwärts. Auf dem Eis lief ein älterer Herr ganz in Schwarz, der regelrecht an mir vorbeisauste.

Eines Tages sprach er mich an und fragte nach meiner Schuhgröße. Ich hatte damals eine 38, er eine 43. Kurz entschlossen zog er seine “Norwegerschlittschuhe” aus gab sie mir und ließ mich in den viel zu großen Schuhen einige Runden drehen. Danach sagte mir der Herr, das ich großes Talent besitze und schlug mir vor, das er mich trainiert. Derart gelobt konnte ich fast nicht anders und begann bei Helmut Reichelt, so hieß der Herr, mit dem Training. Er schenkte mir seine Schlittschuhe, die damals mehr als 100 Mark wert waren. Die Schlittschuhe habe ich auch heute noch.

Ein Problem war auch die passende Kleidung, denn Anzüge wie heute gab es damals noch nicht und natürlich wäre es auch zu kalt gewesen.

Ich habe oftmals Pullover von meiner Schwester getragen, die Hosen waren viel zu dünn und an den Knien durchgescheuert, aber irgendwie ging das alles. Und wir waren ja mit Spaß bei der Sache, da störten die fehlenden Kleinigkeiten nicht.

Häufig gab es Schneefall, wer hat dann die Bahn geräumt ?

Wir hatten in der Regel Maschinen, natürlich nicht solche wie heute, aber besser als gar nichts. Am lustigsten war damals das Gefährt in Geising, ein Vorkriegsungetüm ohne Türen, das häufig defekt war. Der Besitzer brachte das Kunststück fertig während der Motor lief die Zündkerzen herauszuziehen und die Kontakte zu säubern. Das ging damals tatsächlich.

Aber natürlich war auch viel Handarbeit notwendig und so haben Sportler, Betreuer, Organisatoren und Zuschauer oft gemeinsam den Schnee von den Eisflächen geräumt.

Das Eis war in der Regel sehr spröde oftmals rissig und ist mit den heutigen Halleneis überhaupt nicht vergleichbar.

Wie oft und wo haben sie damals trainiert?

Na ja ich muss zugeben, dass ich einige hundert Stunden in der Berufsschule geschwänzt habe. Mein Meister sagte mir damals, das eine Ausbildung wichtiger war als der Sport. Ich sah das natürlich etwas anders. Trotzdem habe ich meine Lehre als Werkzeugmacher erfolgreich abgeschlossen.

Später habe ich dann in Berlin-Treptow auch in der Firma gearbeitet, ganz normal wie jeder Andere auch, da hat man keine Unterschiede gemacht. Allerdings gab es Pflichtfreistellungen für Traininglager. Im Sommer meistens vier Wochen an der Ostsee u.a. in Ahlbeck im Winter auch mal für das Eistraining.
Nach der Arbeit habe ich täglich trainiert. Im Sommer sind wir meistens mit dem Rad gefahren, haben Handball gespielt und sind Schwimmen gegangen. Leider war Fußball trainingsmethodisch tabu.

Ich habe mich sehr schnell verbessert und gleich nach der Eröffnung der Berliner Seelenbinder-Halle 1950 in den Rundenrennen Erfolge erzielen können. Damals lief man ähnlich wie im Radsport 75 oder 100 Runden. Ich startete in den Anfangsjahren oft gemeinsam mit Helmut Reichelt. Nachdem dieser sich zurückzog, bin ich dann zu Herrmann Kittlaus gewechselt. Damals starteten unsere Wettkämpfe gleich nach den Eishockeyspielen und wir hatten viele Zuschauer.

Auf dem Eis trainiert haben wir im Sportpalast, wir Sportler hatten eine Sondergenehmigung für den Westteil der Stadt, in der Seelenbinderhalle sowie auf Eisflächen in Treptow und Weißensee.

Ich hätte auch zum SC Dynamo wechseln können, man hat mich damals angesprochen. Allerdings hätte ich weniger verdient als in meiner Firma und als Polizist wollte ich nicht arbeiten, davon hatte ich ja überhaupt keine Ahnung. So hat sich das zerschlagen und ich blieb bis zum Ende meiner Karriere bei Aufbau Bau Union Berlin. Bei Dynamo wären die Rahmenbedingungen aber sicherlich besser für mich gewesen.

Sie hatten 1953 und 1954 zwei sehr gute Jahre, danach war nur noch wenig von Ihnen zu hören, nach 1957 überhaupt nichts mehr, wie kam das?

In der Tat lief es 1953 hervorragend für mich. Nach dem Gewinn der DDR Meisterschaften bin ich zu den Studentenspielen nach Wien gereist. Ich war ja nicht wirklich Student, aber man hat damals vielen Teilnehmern falsche Studentenausweise für die Trainerschule in Leipzig ausgestellt.

Dort konnte ich trotz der schlechten Eisbedingungen nochmals zwei meiner DDR-Rekorde verbessern (Anm. desg.de über 1500 und 3000 Meter).

Auch das Jahr 1954 lief Anfangs nicht schlecht für mich, ich verbesserte meine Bestzeiten in Geising. Dann aber hatten wir einen Testwettkampf in Treptow, ich kam dort durch einen Riss im Eis zu Fall und verletzte mich schwer am Meniskus. Heute wäre die Verletzung wahrscheinlich nicht mehr so gravierend, aber damals ! Ich konnte lange gar nichts mehr machen und als ich dann 1956 auf das Eis zurück kam, konnte ich nicht mehr so gut wie vor dem Unfall laufen. Na und Helmut Kuhnert war mittlerweile an uns Anderen weit vorbeigezogen.

1957 endete meine Karriere dann mit dem Umzug nach Bremen abrupt.

Sie zogen 1957 von Ostberlin nach Bremen, ging das denn so einfach?

Nein natürlich nicht, es war ja ein Umzug aus der DDR in die BRD. Das hatte nichts mit irgendwelchen politischen Gründen zu tun, ich brauchte nur eine Wohnung.

Ich wohnte Anfang der 50er Jahre bei meinen Eltern in einer sehr kleinen und unmöglichen Wohnung. Als sich die ersten sportlichen Erfolge einstellten, wies man uns eine neue größere Wohnung zu. Ich hatte ein eigenes Zimmer, was zur damaligen Zeit nicht selbstverständlich war. Bei Rennen in der Seelenbinder-Halle lernte ich 1954 meine spätere Frau kennen und nachdem wir 1956 geheiratet hatten, stand nun erneut die Wohnungsfrage an. Im Wohnungsamt riet man mir meine Eltern herauszuschmeißen, was natürlich nicht in Frage kam. Wohnungen waren damals eminent knapp, also wandte ich mich an den Sportfunktionär Horst Milde, dem es auch tatsächlich gelang mir drei “Wohnungen” anzubieten. Allerdings waren die Wohnungen nicht mal gut genug für die Tierhaltung.

Also machte ich dem 1957 ein Ende. Ich erhielt eine Genehmigung meine angeblich kranke Schwester in Düsseldorf zu besuchen, bin aber stattdessen zu meinem Schwager nach Bremen. Der besorgte mir Arbeit und für eine Übergangszeit konnte ich in seiner Wohnung leben.

Meine Frau wusste zu diesem Zeitpunkt nicht wo ich bin, ich wollte sie später irgendwie rüberholen, um sie nicht zu gefährden. Nach sechs Wochen erfuhr sie bei einer Vernehmung der Kripo von Denen das ich in Bremen bin. Nachdem ich das erfahren hatte, bekam ich doch Angst um Sie. Also bin ich mit einem geliehenen Pass einer Bekanntin nach Berlin und habe ich sie dann gemeinsam mit meinen Schwager nach Bremen geschleust, wo wir bis heute leben.

Als sie nach Bremen kamen, landeten sie nicht gerade in einer Hochburg des Eisschnelllaufs, haben sie ihren Sport dort weiter treiben können?

Es gab auch in Bremen Eisläufer, wenn natürlich nicht vergleichbar mit Berlin. Ich habe dort beim Training zugesehen und den Läufern ein paar Tipps gegeben. Dies hat den Trainer aber in seiner Autorität verletzt und so bin ich faktisch des Eises verwiesen worden, das war es dann. Mittlerweile bin ich ein ganz passabler Bowler.

Haben sie noch Kontakt zu alten Sportkameraden?

Ja ich habe noch sehr viele Kontakte nach Berlin. Wir treffen uns dort auch regelmäßig, in der neuen Saison wieder zum Weltcup. In Berlin hat sich eine Truppe gefunden (Anm. desg.de “Die Eisgirls”) zu der Günter Bräuer, Hans Pricelius und viele andere Weggefährten der damaligen Zeit gehören.

Wann standen sie letztmals auf dem Eis und mit welchen Schlittschuhen?

Bei unserem letzten Treffen in Berlin hatte ich meine alten Schlittschuhe dabei und habe mich auf das Sahneeis in Berlin gewagt. Hans Pricelius startet ja noch immer bei den Mastern und trainiert öfter. Ich war begeistert, es war ein Riesenerlebnis und wenn ich in Berlin wohnen würde, dann würde es mich auch öfter auf das Eis ziehen. Ich würde auch gern mal mit den neuen Klappschlittschuhen laufen , diese sind mir dann aber doch zu teuer.

Vielen Dank für das Gespräch

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