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Historia: Die geschummelte Temperatur

Author: Dirk Gundel Tuesday, November 9th, 2004 No Commented Under: Historie

Aus der Eisschnelllauf-Geschichte: Constanze Moser und die WM 1989

Wird Constanze Moser nach jener WM von Lake Placid 1989 gefragt, fällt ihr zuerst immer das eine ein: “Saukalt war’s!”. So kalt, dass die Wettkämpfe nach dem Reglement des Eislauf-Weltverbandes ISU gar nicht hätten stattfinden dürfen: minus 31 Grad. Da eine Verlegung aber mehr Probleme als Nutzen gebracht hätte, legte ein ISU-Funktionär kurzerhand den Finger auf das Quecksilberkölbchen und hatte die “regelgerechten” 29 Grad. Und “Conni” hatte am Ende Gold..

Die DDR-Mannschaft war eigentlich eine ergänzte Thüringer Auswahl: Trainerin Gabi Fuß (Erfurt) war mit den Weimarerinnen Heike Schalling (Warnicke, heute Sinaki) und Constanze Scandolo-Moser, der Sondershäuserin Gunda Kleemann (heute Niemann-Stirnemann), alle vom SC Turbine Erfurt, und Jacqueline Börner (Berlin) schon eine Woche vor WM-Beginn in Lake Placid, um die Zeitumstellung zu verdauen und auf der Olympiabahn von 1980 zu trainieren. Es war mild, und die Mittagssonne machte das Eis weich, zum Leidwesen der Läuferinnen. Doch der Wunsch der Mädchen nach kaltem Eis sollte anders in Erfüllung gehen, als ihnen recht war: mit einer Lektion nordamerikanischer Meteorologie. Ein Kälteeinbruch ließ das Thermometer binnen eines Tages um dreißig Grad fallen.

“Es war unglaublich”, erinnert sich Constanze Moser, “war ließen uns alles mögliche einfallen, zogen Trainingssachen unter die Laufanzüge, steckten Zeitungen dazwischen, aber auf der Bahn fühlte man sich dennoch sogleich wieder ungeschützt.” Nach passablem 500-Meter-Ergebnis standen die 3000 Meter auf dem Programm – das hieß, minutenlanges Rundendrehen in Wind und Kälte, und jede Minute, jede Runde scheint länger zu werden. “Der Frost hat irgendwie auch das Gehirn eingefroren. Ich konnte an nichts denken, an absolut nichts, und gelaufen bin ich wie eine Maschine. Im Tran hätte ich einmal fast nicht gemerkt, dass ich noch in der Kurve bin und wollte schon geradeaus laufen. Irgendwie bin ich dann doch ins Ziel gekommen.” Und die 4:39,56 sollten bis zum Ende als Bestzeit stehen bleieben – damit ging “Conni” als Führende in den zweiten Wettkampftag.

“Der war wirklich etwas wärmer!”, versichert die Thüringerin, “es waren schon 29 Grad, ohne Finger aufs Thermometer zu legen.” Die Führung setzte bei Constanze Moser neue psychische und physische Kräfte frei. Über 1500 Meter war nur die Russin Swetlana Lapuga schneller, die mit dem Mehrkampfausgang nichts zu tun hatte. “Ich musste nun nur noch über 5000 Meter halbwegs passabel durchkommen, und ich hatte den Titel. Das gab mir die Kraft, der Kälte zu widerstehen.” “Conni” gewann den Mehrkampftitel vor Gunda und der Holländerin Yvonne van Gennip. “Damit hatte sich auch die Kälte-Tortur für unserer Trainerin Gabi Fuß gelohnt, die die tat mir bei der Kälte am meisten leid. Sie musste ja bei jedem von uns raus!”

Constanze Mosers Weltmeistertitel war der Lohn für 17 Jahre hartes Training, das einst bei Fred Müller in Weimar auf Rollschuhen begonnen hatte. Rollschuh fährt sie heute noch gern, “aber nur zum Spaß!”. Und nur zum Spaß geht Constanze Moser auch noch aufs Eis, doch nicht ohne Ehrgeiz. 1996 wurde sie sogar noch einmal Weltmeisterin – bei den Masters.

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