Silber für die deutschen Damen / Pechvogel Herrmann
Eine „durchwachsene“ Europameisterschaft hatte für die deutschen Shorttracker doch noch ein Happy-End: In einem turbulenten 3000-m-Staffel-Endlauf der Damen holten sich Aika Klein (Rostock), Susanne Rudolph (Grafing), Christin Priebst und Bianca Walter (beide Dresden) nach Bronze im Vorjahr diesmal die Silbermedaille hinter Ungarn. Die Männer hatten den Einzug ins Finale knapp verfehlt – ein Kufendefekt von Paul Herrmann (Dresden) kostete das Weiterkommen. Im Mehrkampf konnten die DESG-Vertreter hingegen nicht in den Kampf um die Medaillen eingreifen. Zwar standen sie siebenmal im Halbfinale (je zweimal Herrmann und Praus, je einmal Rudolph, Klein und Priebst), doch nur Sebastian Praus (Mainz) zog über 1500 m in den Endlauf ein – dort allerdings büßte er seine Chancen durch einen Sturz ein. 1700 Zuschauer feierten in Turin am Ende drei italienische EM-Titel: Nicola Rodigari entthronte Haralds Silovs (Lettland), der Zweiter wurde, und gewann seinen vierten Einzel-Titel, zudem gewann er mit der italienischen Staffel. Ihren zweiten EM-Sieg verbuchte Arianna Fontanna.
„Großartig, wie sich die Mädels im Staffel-Endlauf geschlagen haben“, meinte Bundestrainer Éric Bédard, „die meiste Zeit haben sie das Feld angeführt oder waren knapp hinter Ungarn Zweiter. Das Ziel war der Titel. Vier Runden vor Schluss wären sie am Rande eine Positionskampfes fast zu Fall gekommen, sie verloren fast zwei Sekunden und fielen auf Platz vier zurück, haben sich aber in einem tollen Rennen wieder nach vorn gelaufen.“ Schon im Semifinale hatte das DESG-Quartett überzeugt, war als Halbfinalsieger die schnellste Zeit gelaufen(4:20,420 Minuten), die auch im Finale nicht unterboten wurde.
Der 23jährige Dresdner Paul Herrmann war am zweiten EM-Tag der Pechvogel des Tages. Über 500 Meter stand er im Halbfinale, stürzte – aus seiner Sicht unverschuldet – und wurde disqualifiziert statt ins Finale gesetzt. Und im Staffel-Halbfinale kostete sein ebenfalls unverschuldeter Schlittschuhschaden das Weiterkommen. „Im Staffelrennen sind wir mit den Ungarn an der Spitze gelaufen, wobei die Ungarn bei Wechsel immer viel Platz beansprucht haben“, erzählt Herrmann, „und genau das wurde mir zum Verhängnis. Ich wollte am Ungarn vorbeigehen, aber er hatte noch die Füße breit und es erwischte meinen Schlittschuh. Da war die Biegung raus, die man bei uns Banane nennt, und ich konnte nicht mehr weiterlaufen. Die anderen drei Jungs mussten das rennen allein zu Ende bringen, haben in der Aufregung auch noch Sebastian zu früh eingewechselt, der eigentlich Schlussläufer sein sollte, und leider wurden wir nur Dritter und verpassten das Finale.“ Dafür, dass sie als Dritter immer noch schneller waren als der Sieger des anderen Halbfinals, kann sich im Shorttrack „nichts kaufen“.
Zuvor hatte Herrmann bereits im 500-m-Halbfinale auf Finalkurs gelegen. Er überholte den auf Platz zwei liegenden Franzosen Thibault Fauconnet, un als er eigentlich schon vorbeikam, nahm Fauconnet – instinktiv oder absichtlich, das sei dahingestellt – nochmal den Arm raus, wodurch Herrmann das glöeichgewicht verlor, stürzte und wegen Behinderung der nachfolgenden Läufer disqualifiziert wurde. Éric Bédard: „Wir haben es und danach nochmal im Video angesehen, es war eigentlich genug Platz. Wirklich eine harte Entscheidung, aber der Schiedsrichter hat es so gesehen.“ Im Shorttrack ist der Überholende in der Pflicht, den Überholvorgang ohne Behinderung anderer Läufer vorzunehmen. Paul Herrmann nahm es sportlich: „Scuiedsrichter ist auch ein schwerer Job, er hat es von seiner Position aus halt so gesehen. Das ist eben Shorttrack.“
Dass die deutschen Shorttracker ihren Anspruch, die europäische Spitze mitzubestimmen, in den Einzelentscheidungen nicht verwirklichen konnten, auch wenn sie manches Mal mit dem fehlenden Glück haderten, wollte Bundestrainer Bédard nicht überwerten: „Das gesamte Training ist auf die Olympia-Saison ausgerichtet, ich Vancouver müssen wir punkten“, so der Kanadier, der selbst Shorttrack-Olympiasieger war, „die EM war nur eine Durchgangsstation.“
Die nächsten Europameisterschaften finden im Januar 2010 in Dresden statt. Bereits am 14. und 15. Februar 2009 erlebt Dresden das diesjährige Finale im Weltcup und damit den ersten Wettkampf mit der kompletten Weltspitze in Deutschland überhaupt. Eine Woche zuvor findet der fünfte von sechs Weltcups in Sofia statt.