Einzelstrecken-WM 2007, WM-Tagebuch 3/5
Nur “Holzmedaille” bei 3000-m-Krimi / Titel für Sábliová und Lee
WM-Tagebuch, Teil 3 von 5 — Freitag (9. März 2007)
Von Matthias Opatz
Schnee auf den Ketten der Rockies, aber Sonnenschein und Frühlingstemperaturen im Tal – genau richtig für ein Platzkonzert von “Kleintje Pils” vor dem Eingang des “Utah Olympic Oval” in Kearns.
Der Tag beginnt mit dem Blick in die Tagespresse, und er ist ernüchternd. “USA Today” weiß überhaupt nichts von einer Eisschnelllauf-WM, und die einheimische “Salt Lake Tribune” hat eine Agenturmeldung an den Rand gequetscht. Es überhaupt erstaunlich, wie die Amerikaner von acht großen Sportseiten siebeneinhalb praktisch mit vier Sportarten füllen: Basketball, Baseball, Football und Eishockey.
Durch das Internet kann man aber heute vieles erfahren, was erst morgen oder nie in der Zeitung steht. So sind auch deutsche Fans, die das Ereignis von zuhause aus verfolgen, dank Ergebnisdienst sowie der Berichterstattung der Agenturen dpa und sid oder auf desg.de. Sie konnten auch längst erfahren, dass mit Jens Boden ein erfolgreicher Athlet künftig nicht mehr für Deutschland aufs Eis geht. Der 28jährige Dresdner beendet seine Karriere, deren Höhepunkt die olympische Bronzemedaille über 5000 Meter bei den Winterspielen 2002 war. Gern hätte Boden seine Karriere am Ort seines größten Trumphes dem “Utah Olympic Oval” in Kreans, beendet, konnte sich aber leider nicht mehr dafür qualifizieren.
“Es ist schade, dass Jens aufhört, er war sportlich und menschlich ein feiner Kerl”, sagt Bundestrainer Bart Schouten über den Sachsen. Boden selbst, der die WM von zuhause aus aufmerksam verfolgt, sagte desg.de: “Mit meiner Familie haben wir schon öfter darüber gesprochen, und vielleicht hat mein Sturz beim Weltcup n Turn den letzten Ausschlag gegeben”, so Boden, “mit dem Weltcup in Calgary hatte ich auch noch einmal einen schönen Höhepunkt als Abschluss.”
“Es war eine schöne Zeit, die ich nicht missen möchte” sagt der Dresdner, “es war auch schön, noch einmal ein Jahr unter den neuen Bedingungen mit Bart Schouten zu traineren. Doch nun haben meine Familie und mein gelantes Studium Vorrang. Meinen langjährigen Trainingskameraden wünsche ich bei der WM alles Gute,ich drücke ihnen ganz fest die Daumen!” Boden will im Herbst an der TU Dresden ein Studium Maschinenbau oder Raumfahrttechnik beginnen. Als Sportler zweimal Deutscher Meister und nahm zweimal an Olympischen Spielen teil, 2002 (Bronze 5000 m, Fünfter 10”000 m) und 2006 (20. über 10”000 m). Er hat drei Deutsche Rekorde aufgestellt, jener über 5000 m (6:20,15) steht ungebrochen.
Die 3000 Meter der Damen wurden das erwartet spannende Rennen mit mindestens einem halben Dutzen Medaillenkandidaten – die deutschen Läuferinnen gingen aber erstmals bei Einzelstrecken-WM auf dieser Strecke leer aus. Den Titel sicherte sich Martina SáblÃková (Tschechien/3:38,09) vor Renate Groenewold (Niederlande/3:58,41) und Weltrekordhalterin Cindy Klassen (Kanada/3:58,50) Die Berlinerin Claudia Pechstein lief in 3:59,11 um 0,6 Sekunden an einer Medaille und eine Sekunde an Gold vorbei. Daniela Anschütz-Thoms aus Erfurt bot Martina Sablikova bis zwei Runden vor Schluss Paroli, war dem Schlussspurt der Tschechin aber nicht gewachsen und wurde in 4:00,50 min Siebente. Für Katrin Mattscherodt (Berlin) reichte die neue persönliche Bestzeit von 4:10,43 min für Platz 17.
“Die Holzmedaille ist immer Scheiße”, meinte Claudia Pechstein nach ihrem Rennen, “aber ich habe mir nichts vorzuwerfen. Ich habe gekämpft und das gebracht, was ich drauf habe, und das war nicht schlecht, aber drei waren eben schneller. Ich stecke jetzt aber nicht den Kopf in den Sand. Mein Ziel, zwei Medaillen zu gewinnen, ist immer noch möglich, morgen werden wir es gemeinsam im Teamrennen versuchen.” Für Daniela Anschütz-Thoms war es “egal, ob am Ende eine vier oder sieben in der Liste steht, ich wollte mit um eine Medaille laufen, und die habe ich verpasst. Zuerst ist meine Taktik aufgegangen aber in den letzten beiden Runden hatte ich nichts mehr zum Zusetzen. Abhaken und nach vorn schauen. Jetzt kommt das Mannschaftsrennen, und wir sind, glaube ich, ganz gut aufgestellt.” Auch Katrin Mattscherodt war trotz Bestzeit nicht ganz zufrieden: “Die 4:10 Minuten hätte ich schon gern geknackt.”
Damen-Bundestrainer Markus Eicher sagte: “Wenn man am Ende ohne Medaille dasteht, kann man natürlich nicht zufrieden sein. Aber das ist ein Ergebnis, mit dem man rechnen musste – es gab sechs, sieben Medaillenkandidaten, und unterdenen war hier eigentlich jeder Einlauf möglich. Die Zeiten, in denen wir die haushohe Favoriten waren, sind erst einmal vorbei, siehe Olympia 2006. Doch wir schauen nach vorn, das Mannschaftsrennen wird vielleicht ebenso eng, aber alles ist möglich. Und auch über 500 m haben wir mit Jenny Wolf Medaillenchancen.”
ßber 500 Meter der Männer gab es auf dem selbsternannten “schnellsten Eis der Welt” den ersten Weltrekord. Für diesen sorgte der Südkoreaner Lee Kang-Seok mit seinen 34,25 Sekunden im zweiten Lauf (bisher 35,30 Sekunden von Joji Kato, gelaufen im November 2005 in Kearns). Lee Kang-Seok holte damit nach zwei Läufen mit 68,69 Sekunden auch den Weltrekord über 2x 500 Meter und den Weltmeistertitel. Um Silber und Bronze gab es ein enges Gerangel: Yuya Oikawa (Japan/69,02) wurde Zweiter vor Tucker Fredericks (USA/69,03), Lee Kyou-Hyuk (Südkorea/69,03) und Dmitrij Lobkow (Russland/69,04). Nichts zu holen war für den einzigen deutschen Starter Anton Hahn (Erfurt). Er lief zwar in 35,47 Sekunden neue persönlich Bestzeit, reihte sch aber damit dennoch am Ende des Feldes ein. “Ich wollte eigentlich den Deutschen Rekord knacken, das ist mir leider nicht gelungen”, meinte Anton Hahn. Michael Künzels nationale Bestmarke von 35,30 Sekunden steht seit dem Dezember 2001 (auch in Kearns gelaufen).
Auch dank der niederländischen Jazzcombo “Kleintje Pils” kam am zweiten Tag auch auf den Zuschauerrängen gute Stimmung auf.
Die Auslosung for Sa: Für das Mannschaftsrennen am Freitag präsentierte der offizielle Resultatsdienst der ISU am Donnerstagabend auf seiner Website eine Ansetzung voller ßberraschungen. Beispielsweise diese interessante Aufstellung im deutschen Team: An der Seite von Daniela Anschütz laufen Justine l”Heureux und Michèle d”Amours. Vor ihrem ersten 6-Runden-Rennen steht Sprinterin Jenny Wolf, allerdings im Team Polens, und Anni Friesinger hat sich ihren Startverzicht offenbar auch noch einmal überlegt – sie läuft allerdings für Japan. Was auch immer im Computer von SCG schiefgegangen sein mag – wir wollen diesen Spaß niemandem vorenthalten und haben ein Bildschirmfoto geschossen, ehe der Fehler von den Verantwortlichen bemerkt und verbessert wird: hier oder auf das Bild klicken. Tatsächlich für das Mannschaftsrennen nominiert hat Trainer Eicher, wie erwartet, die Olympiasiegerinnen Claudia Pechstein, Daniela Anschütz-Thoms und Lucille Opitz (Reserve: Katrin Mattscherodt). Zu den Anwärtern auf Titel und Medaillen gehören aber auch die Niederlande und Kanada (beide haben ihre Stärke mit Medaillen nd Topplatzierungen über 1500 und 3000 Meter unterstrichen) sowie Russland (die Russinnen konzentrieren sich voll auf das Teamrennen, haben sich über 1500 und 3000 Meter komplett geschont). Zumindest die Paarungen stimmen, so trifft Deutschland im dritten Lauf auf Kanada, Russland danach im letzten Paar auf die Niederlande.
Die weiteren deutschen Ansetzungen für Sonnabend. 500 m Damen (1. Lauf): [5] Hesse – Sheng (CHN), [6] Zoellner – Weger (CAN), [12] Osuga – Wolf. 1000 m Herren: [6] Miron (CAN) – Schwarz. 10”000 m Herren: [1] Lehmann – Bjelusow (RUS), [4] Weber – Hedrick (USA).