Teampower im Hexenkessel
Sie sagen, dass sie nach geleisteter Trainingseinheit „auch mal ein Bierchen zusammen trinken.“ Sie bilden seit zwei Jahren eine Mannschaft, die dem ohnehin attraktiven Short Track den Kick gibt. Staffel-Wettbewerbe sind in der Individualsportart Eisschnelllaufen keine Randerscheinung mehr – sondern häufig das Finale furioso. Das liegt an den Ablösungen, einer Art Anschieben des Partners. Das Timing muss stimmen, die Taktik, wer wie lange läuft. Ähnlichkeiten mit dem Madison im Bahnradsport drängen sich auf, obgleich das Publikum beim eisigen 3000-m-Rennen eher den Überblick bewahrt. Das DESG-Quartett brüllten die Zuschauer in der Freiberger Arena quasi ums Oval. Der Akustik-Schock in Sachsen hievte Eric Bédards Männer förmlich ins Finale. Für sie in diesem Winter aber keine Seltenheit. Und so langsam nimmt der olympische Plan konkrete Dimensionen an. Eine Medaille 2010 in Vancouver, darauf spekulieren ja auch die Männer der 400-m-Bahn von Bundestrainer Bart Schouten. „Ich weiß nicht, ob unsere Chancen derzeit besser stehen, aber zumindest sind sie Realität“, sagt Paul Herrmann.
Die Fans feixen, weil der Kampf Mann gegen Mann fasziniert. Beim Körperkontakt nicht selten eine(r) die Balance verliert und krachend in der – gut gepolsterten Bande – landet. „Wir stehen zwar noch im Schatten, aber wenn wir jetzt mehrfach Richtung Podest starten, wird sich das ändern“, sagt Sebastian Praus. Und dann nennt er die Hauptgründe für immer schnellere Runden. „Das Adrenalin und Eric Bédard.“ Auch die Kollegen singen das Hohe Lied auf den kanadischen Coach dem keine Zeit entgeht. Der motivieren kann. „Und wir sind eben auch ein verschworener Haufen“ (Praus). Teamkollege Herrmann nennt das „eine geile Sportart“. Kein Wunder, dass Teamleader Helmut Kraus einen geschätzten Puls „von 178“ bei sich konstatierte. Wenn Praus, Herrmann, Tyson Heung und Robert Becker sogar die Chinesen „ärgern“.
Neben Dresden sind Rostock, Mannheim, Grafing und Oberstdorf die deutschen ST-Nester. Wo die Begeisterung cooler Typen für die heiße Angelegenheit zunimmt. „Das ist auch eine Mentalitätsfrage“, meint Kraus. Freaky seien viele Short Tracker. Aber auch psychisch ziemlich ausgebufft, um Stress-Situationen zu meistern, Stürze (wie beim Halbfinale mit Sebastian Praus über 1000m, als drei der fünf Gestarteten in der letzten Runde Schräglage und Ellbogeneinsatz Tribut zollen mussten…) oder auch fragwürdige Entscheidungen der Unparteiischen. „Doch das lernen sie von Klein auf“ zieht DESG-Präsident Gerd Heinze den Hut vor den Kufenflitzern. Auch dass Diskussionen nach für Außenstehende nur schwer nachvollziehbaren Disqualifikationen sinnlos sind. Fair Play gilt im Hexenkessel.
Doch einen Heim-Weltcup gab es eben noch nie. Und Dresdens Fans ließen sich gerne vom Sog der vor kurzem noch unbekannten Sportart mitziehen. „Hier geht es ab wie beim Snowboard“, meinte ein Zuschauer, der wieder kommen will. Wann? Bald. Im Januar 2010 gastieren die Europameisterschaften in Elbflorenz. Dann könnte die schmucke Hütte mit 4000 Zuschauern ganz vollgestopft sein. Wenn das Team-Quartett die olympische Generalprobe in Angriff nimmt.