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Mir rutschte das Herz in die Hose..- Bianca und Skadi Walter im Gespräch

Author: Dirk Gundel Monday, February 1st, 2010 No Commented Under: Short Track
DESGphoto Bianca Walter DESGphoto / L. Hagen

Wer vor und während der Europameisterschaften durch Dresden fuhr, kam an Bianca Walter nicht vorbei. Die 19jährige war als Fotomotiv für die Plakatwerbung der Europameisterschaften auserkoren worden. Und auch während der EM fiel die Dresdnerin mit ihrem ausgelassenen Jubel auf dem Eis auf.

Die Saison hat jedoch auch einen Wermutstropfen, schließlich finden die Olympischen Spiele ohne Bianca statt. Dabei hätte die Sächsin gern das Ergebnis ihrer Mutter getoppt, die war 1984 in Sarajevo Fünfte über 500 Meter im Eisschnelllaufen.

SpeedSkatingNews.info sprach am Rande des Trainings mit Bianca und Skadi Walter.

SSN: Bianca, das war bisher eine Saison mit Höhen und Tiefen, die Olympiaqualifikation wurde verpasst, weil du beim Weltcup in Montreal eine Koreanerin behindert haben sollst. Eine Kampfrichterentscheidung, die mit sehr viel Kritik verbunden war, wie siehst du die Entscheidung mit etwas Abstand?

Bianca: Ich kann das bis heute nicht nachvollziehen, wir lagen in Führung, die Koreanerin versuchte von innen zu überholen, was ihr aber nicht gelang. In der Kurve kam es dann zur Kollision. Die Regel sagt eigentlich, dass der Überholvorgang abgeschlossen sein muss, da er das nicht war, hätten die Koreanerinnen disqualifiziert werden müssen. Diese Entscheidung war für uns absolut bitter, bedeutete sie de facto das Olympiaaus.

SSN: War das in den anderen Weltcups nicht mehr zu korrigieren?

Bianca: Leider gab es nur zwei Weltcups, bei denen man sich für die Olympischen Spiele qualifizieren konnte. Mit einem Ergebnis von 0 Punkten nach dem ersten Weltcup, hätten wir schon ein kleines Wunder für die Qualifikation benötigt.

Ich finde es nicht gut, dass es nur zwei Qualifikationswettkämpfe gibt, gerade in unserem Sport, wo man auch mal schnell disqualifiziert wird. Dass wir es sportlich draufhaben, hat dann ja die EM in Dresden gezeigt.

SSN: Na so ganz ohne Aufregung ging es ja auch in Dresden nicht ab. Was hast du gedacht, als Julia Riedel im Halbfinale stürzte und ihr plötzlich mehr als eine halbe Runde zurücklagt.

Bianca: Den Sturz habe ich gar nicht gesehen, ich war gerade auf der anderen Seite. Ich hörte nur wie es knallte und sah dann wie Christin schnell bei Julia abklatschte und weiterlief. Im ersten Moment dachte ich nur Mist, das war es schon wieder. Aika hat dann schnell die Wechsel neu organisiert und wir kamen den Polinnen etwas näher. Dann wurden wir noch zwei Mal durch die überrundeten Bulgarinnen aufgehalten, das ging schon an die Nerven. Wir hofften, dass die Polinnen am Ende einbrechen würden und so kam es dann auch. Nachdem diese in Sichtweite kamen, ging es ganz schnell, ich lief an die Polin heran, wechselte auf Julia und die flog vorbei.

SSN: Dann das Finale, Riesenstimmung in der Halle und du mittendrin, wie war das für dich?

Bianca: Es war unbeschreiblich, eine solche Stimmung habe ich noch nicht erlebt. Als wir dann einzeln vorgestellt wurden, rutschte mir das Herz in die Hose. Das Rennen selbst verlief unspektakulär, die Ungarinnen waren nach einem Sturz früh aus dem Rennen, wir hatten durch den Sturz einen kleinen Rückstand auf die Russinnen, liefen aber schnell wieder ran und vorbei und kontrollierten das Rennen von vorn. Wir wussten, dass wir stärker sind, deshalb dachte ich: Nur nicht stürzen.

DESGphoto Christin Priebst DESGphoto / L. Hagen

Als wir dann im Ziel waren, gab es nur noch Jubel. Es war einfach nur geil und das zu Hause vor diesem Publikum.

SSN: Skadi, wie hast du diesen Erfolg erlebt?

Skadi: Die Familie war natürlich in der Halle, es war sehr aufregend, aber auch ein phantastische Atmosphäre. Wir haben die Mädels lautstark angefeuert, es war schon toll, dass es mit Gold geklappt hat.

SSN: War das der erste internationale Wettkampf von Bianca, den du live verfolgt hast?

Skadi: Nein, wenn es nicht so weit weg ist, fahren wir auch in Europa zu den Wettkämpfen. Wir waren unter anderen in Italien und Tschechien und natürlich beim Weltcup im letzten Jahr in Dresden. Die Stimmung ist in Dresden aber deutlich besser als in den anderen Orten, davon waren nicht nur unsere Läufer begeistert, auch die internationale Konkurrenz hatte ihren Spaß.

SSN: Bianca, du hast bereits in der Vorbereitung eine Überraschung erlebt, du warst sozusagen das Gesicht der EM, wie fandest du das?

Bianca: Ich wurde davon auch überrascht, es gab eine Pressekonferenz, bei der das Bild vorgestellt wurde, bis dahin wusste ich gar nichts davon. Man sagte uns, eine Kommission hat verschiedene Bilder bewertet und dann meines ausgewählt. Ich war natürlich unheimlich stolz.

SSN: Aika Klein und das Herrenteam fliegen in den nächsten Tagen nach Vancouver, der Rest des Frauenteams bleibt dagegen zu Hause. Ist die Saison jetzt für euch beendet?

Bianca: Es ist natürlich unheimlich traurig, dass wir als Europameister in Vancouver nicht starten können. Wir waren nach der verpassten Olympiaqualifikation auch ziemlich am Boden. Dann haben wir uns aufgerappelt und auf Dresden vorbereitet, dass hat sich auch gelohnt. Ich bin noch jung und kann es bei den nächsten Olympischen Spielen wieder versuchen, für andere im Team ist es dann aber zu spät.

Jetzt trainieren wir und bereiten uns auf die Weltmeisterschaften in Sofia (19.-21.03.2010) vor. Damit wir auch Wettkampfpraxis behalten, starten wir beim Star-Class Wettkampf in den Niederlanden, sozusagen der B-Weltcup. Dieser Wettkampf findet vom 12.-14.02.2010 in Leeuwarden statt.

SSN: In letzter Zeit wurde viel über Psyche im Sport geredet. Euch steht mit Rita Regös eine Psychologin zur Verfügung, die auch in Dresden vor Ort war. Was hältst du von diesem Angebot?

Bianca: Ich finde das gut. Man kann jederzeit zu Rita gehen, hat aber keine Pflicht. Ich war vor einem Wettkampf schon mal so aufgeregt, dass ich die Unterstützung in Anspruch genommen habe. Das hat mir schon geholfen. Andere im Team nutzen diese Möglichkeit aber noch öfter als ich.

SSN: Skadi, viele ehemaligen Leistungssportler sehen es nicht gerne, wenn ihre Kinder ebenfalls Leistungssport betreiben, wie war das bei dir?

DESGphoto Bianca Walter DESGphoto / L. Hagen

Skadi: Nein, ich fand toll, das meine Töchter in den Leistungssport gegangen sind. Vanessa hat ihre Karriere allerdings im vorigen Jahr auf Grund der Ausbildung beendet.

SSN: Als ehemalige Weltklasse-Athletin im Eisschnelllaufen, hättest du es nicht lieber gesehen, wenn deiner Töchter ebenfalls zum Eisschnelllaufen gegangen wären?

Skadi: Unsere Familie ist mit dem Eis sozusagen verwachsen. Meine Mutter war bis zum vergangenen Jahr als Trainerin im Eiskunstlauf tätig, meine Schwester (Kirsten Walter) war wie ich im Eisschnelllaufen aktiv, meine Töchter jetzt halt im Shorttrack. Die nächste Generation spielt dann vielleicht Eishockey.

Mein ehemaliger Trainer im Eisschnelllauf (Eckhard Steckel) war mittlerweile im Shorttrack als Trainer tätig und überredete meine Mädchen dort mitzumachen. Ich freue mich auch über diese Entscheidung.

SSN: Bianca mal ehrlich, du bist doch nur beim Shorttrack geblieben, weil es dir draußen auf der Freiluftbahn zu kalt ist, oder?

Bianca: Ich bin in der Tat eine kleine Frostbeule und habe wie viele Frauen immer kalte Füße. Ich bin schon ganz froh in der Halle laufen zu können. Aber natürlich hat mir Shorttrack von Anfang an riesigen Spaß gemacht und bin über meine Entscheidung sehr glücklich.

SSN: Einige Sportler (Shani Davis, Harald Silovs oder Seung-Hoon Lee u.a.) gehören in beiden Sportarten zur Weltspitze, welche Zeiten würdest du auf der 400 Meter Bahn laufen?

Bianca: Ich habe keine Ahnung, das letzte Mal bin ich als Kind auf der großen Bahn gelaufen. Ich weiß auch gar nicht, ob ich mit der Kurve klar kommen würde, da habe ich früher wegen des großen Radius immer einen Zwischenschritt machen müssen.

Skadi: Ich versuche Bianca ja immer mal zu einem Test zu überreden, sie will aber partout nicht.

SSN: Einige Eisschnellläufer haben sich durch das Training auf der 111 Meter Bahn technisch sehr verbessert, kann es nicht anders herum auch Elemente geben, die sich die Shorttracker auf der langen Bahn aneignen können?

Bianca: Ich weiß nicht, aber unser Trainer (Éric Bédard) ist, obwohl er Kanadier ist, strikt gegen das Laufen auf der langen Bahn. In Kanada ist sehr verbreitet in beiden Sportarten zu trainieren.

SSN: Skadi, du hast deine Karriere relativ früh beendet, was war der Grund?

Skadi: Nach den Olympischen Spielen in Sarajevo ist etwas die Motivation verloren gegangen. Andere Interessen rückten in den Mittelpunkt. Zudem erlitt ich eine Herzmuskelentzündung, so dass ich 1987 endgültig aufgehört habe. Insgesamt war ich mit meiner Laufbahn schon zufrieden.

SSN: Und warum bist du heute in der Eishalle?

Skadi: Mittlerweile bin ich als Trainerin tätig, im Shorttrack!

SSN: Bianca, das Leben besteht nicht nur aus Sport. Wie sieht deine berufliche Zukunft aus?

Bianca: Ich weiß es noch nicht so genau. Im Moment bin ich im Sportgymnasium Dresden in der zwölften Klasse. Das Abi mache ich dann aber erst nächstes Jahr, für uns gibt es wegen der vielen Trainingslager und Wettkämpfe eine Sonderregelung. Was danach kommt ist noch nicht ganz sicher, eventuell will ich studieren. Eine Überlegung geht auch dahin, zur Bundespolizei zu gehen, dort hat man als Leistungssportler ideale Vorraussetzungen.

Wir haben einen Laufbahnberater, der uns bei der Entscheidungsfindung behilflich ist, werden also auch in dieser Richtung gut betreut.

SSN: Den Großteil des Jahres verbringt ihr bei Wettkämpfen und im Training mit anderen Shorttrackern, da drängt sich die Frage auf, ist dein Freund auch im Shorttrack aktiv?

Bianca: Es ist richtig, wir Sportler sehen uns öfter, als wir andere Leute zu Gesicht bekommen. Deshalb gibt es auch viele Beziehungen innerhalb des Sports. Mein Freund ist aber ein ganz „Normaler“, also kein Eisflitzer.

SSN: Gibt es einen Sportler den du bewunderst?

Bianca: Nein, eigentlich nicht. Ich finde viele Sportler gut, aber bewundern tue ich niemanden.

SSN: Du betreibst einen Videoblog bei Youtube, ist an dir ein Bill Gates verloren gegangen?

Bianca: Nein, ich komme mit dem Computer ganz gut klar, aber nicht mehr. Für meinen Videoblog nutze ich eine Software zum Hochladen, es ist also nicht so kompliziert.

SSN: Vielen Dank für das Gespräch.

Was Bianca mit Coldplay verbindet, welche Bücher und Filme sie mag, dass und vieles mehr ist in ihrem Steckbrief in Maos Heatbox zu finden.

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