Aus erster Hand: Paul Herrmanns Montrealer Achterbahn
Ein Beitrag von Paul Herrmann, Montreal
Mann, was für eine Achterbahnfahrt der Gefühle! Erst kann ich selbst meine Ziele auf den Einzelstrecken nicht erreichen, dann kommen wir in einem packenden rennen ins Halbfinale, und dann muss ich mit ansehen, wie die Damen Opfer eine aus meiner Sicht falschen Schiedsrichterentscheidung werden.
Auch wenn ich schon lange dabei bin, vor unserem Staffel-Viertelfinale war ich doch super-nervös, es geht ja um so viel. Die Routiniers Sebastian und Tyson haben Ruhe ausgestrahlt, und das war auch gut so, denn auch Robert Seifert war ziemlich aufgeregt, glaub ich. Wir sind eigentlich ein solides Rennen gelaufen, aber beim sechsten Wechsel haben wir plötzlich ein Riesenloch auf die Franzosen bekommen, gegen die es um den zweiten Platz und um den Halbfinaleinzug ging. Aber am Ende haben wir unsere Stärken genutzt – und ein Riesen-Dankeschön geht an Tyson, denn er war saustark und hat den besten Job von uns gemacht. Erst hat er das Loch geschlossen, und dreieinhalb Runden vor Schluss hat er schließlich zum Überholen angesetzt, und ging vorbei! Prausi hat dann noch ein paar Meter Vorsprung herausgelaufen, die ich als Schlussläufer nur noch ins Ziel zu bringen brauchte. Danach ist mir ein Riesenstein vom Herzen gefallen und ich musste erstmal alle Gefühle laut herausschreien.
Dann haben wir die Damen heißgemacht, welche uns auch toll unterstützt haben. Der Mannschaftsgeist ist einfach da. Die Damen haben den Start gewonnen und sind dann auch in Führung geblieben bis zum zweiten Wechsel. Christin und Bianca haben gut gewechselt und die Koreanerin macht meines Erachtens einfach ein dummes und unüberlegtes Überholmanöver, Bianca läuft drauf, was aus meiner Sicht okay war, ich hätte es auch so gemacht. Beide Staffeln stürzen, laufen aber gleich weiter, haben aber nun eine Dreiviertel Runde auf Japan. Korea versucht dann alles um uns loszuwerden, aber die Mädels beißen sich fest und schaffen es auch bis fünf, sechs Runden vor Schluss, den Kontakt zu halten – ein Zeichen, dass die Form stimmt.
Dann die Überraschung: Die deutschen Damen werden disqualifiziert. Großes Staunen an der Bande, auch bei anderen Nationen. Die Südkoreaner wissen wohl selbst, dass das nicht okay warm sie können von Glück reden, dass sie noch im Rennen sind. Aber der Doc (Teamarzt Heinz Kusche) hat heute was gutes gesagt: 1999 lag Bayern München im Finale der Champions-League in der 90. Minute 1:0 in Führung, und Manchester war schon der sichere Verlierer, aber sie haben gekämpft für ihr Ziel und das unmögliche möglich gemacht und 2:1 gewonnen! Also, Mädels, nicht aufgeben und nächstes Wochenende das Unmögliche möglich machen!
Auf den Einzelstrecken sind alle nicht schlecht gelaufen, aber nur Tyson und Aika konnten in meinen Augen ihre wahre Leistung voll aufs Eis bringen, der Rest hatte entweder taktische Fehler oder ist mit zu wenig Selbstbewusstsein gelaufen. Über mich selbst bin ich einfach entäuscht, ich bin taktisch schlecht gelaufen – und Taktik ist ja ein wichtiger Bestandteil der Sportart. Bis auf die 1500 Meter, da habe ich eine runde vor Schluss leider eine Drehung gemacht, und das auf Platz 4 liegend. Ich habe auch technisch nicht das gezeigt, was ich drauf habe.
Das Eis in Montreal war leider nicht so gut. Sie versuchen ihr Bestes, aber die Halle ist einfach zu warm, demzufolge das Eis zu weich. Die Organisation ist auch in Ordnung, bis auf die Panne gleich am Anfang, als wie am Flughafen standen und nicht abgeholt wurden. Aber kann passieren. Die Stimmung beim Weltcup auf den Zuschauerplätzen war an den Vorrundentagen noch recht zurückhaltend, aber am Sonnabend ging die Post ab. Trotzdem: Dresden braucht sich nicht zu verstecken!
Unser Trainer Éric Bédard, der ja ein erfolgreicher kanadischer Shorttracker war, steht hier übrigens ziemlich im Fokus der Öffentlichkeit, und ein Training unserer deutschen Mannschaft wurde sogar im Fernsehen gezeigt, Éric hatte dabei ein Mikro am Kopf. Die Stimmung in der Mannschaft ist super, bis auf gestern, da waren die Mädels am Boden, was man verstehen kann. Wir Jungs geben jetzt unser Bestes, um sie aufzubauen!