Unfälle lösen neue Sicherheitsdebatte aus
Es sollte ein Jubelfest zum 100jährigen Bestehen des schwedischen Eislaufverbandes sein, doch am Ende der Shorttrack-Weltmeisterschaften in Göteborg wollte sich bei niemandem Jubel einstellen. Eine Reihe schwerer Verletzungen nach Stürzen verdarb den Beteiligten die Stimmung und löste eine neue Sicherheitsdebatte im Shorttrack aus. Die schwersten Unfälle betreffen die dreimalige Staffel-Europameisterin Evelina Rodigari (Italien) und den 500-m-Olympiazweiten und Staffelsieger 2002 Jonathan Guilmette (Kanada). Rodigari war im Training mit dem Kopf gegen die Bande geprallt, hatte sich zwei Wirbel gebrochen und liegt nach einer siebenstündigen Operation ebenso noch im Sahlgrenska-Uni-Krankenhaus wie Guilmette, der im 1000-m-Endlauf nach einem Crash mit dem Südkoreaner Lee in die Bande gerauscht war und sich einen Wirbel gebrochen hat. Möglicherweise bedeutet dies für beide das Ende der Karriere.
Wenige Monate zuvor war in Oberstdorf ein Bundesliga-Renntag abgebrochen worden, nachdem sich drei deutsche Läufer, darunter Olympiateilnehmerin Susanne Rudolph (Grafing), schwer verletzt hatten.
Indessen wurden die ebenfalls verletzten Alanna Kraus (Kanada), 1500-m-Olympiasiegerin Ko Gi-Hyun (Südkorea) und der 500-m-Olympiadritte Rusty Smith (USA) wieder aus dem Krankenhaus entlassen. Smith war ein durch eine Schlittschuhkufe teilweise abgetrenntes Stück Nase wieder angenäht worden.
“Sowas geht einem schon an die Nieren, erst recht, wenn man es von ganz nahe erlebt”, sagt die deutsche Vizemeisterin und Staffel-EM-Dritte Aika Klein (Rostock), “aber das ist eben Shorttrack, jedem Läufer ist das Risiko bewusst und er muss damit umgehen. Sicher kann und muss man das Risiko, wo das möglich, minimieren. Aber man kann es nie ausschließen, sonst ist es kein Shorttrack mehr.” Zum der Sportart eigenen Sturzrisiko – Schräglage und hohe Fliehkräfte in engen Kurven – sind in Göteborg aber noch zwei Faktoren hinzugekommen. Bundestrainer Jürgen Dennhardt: “Nach Aussage zahlreicher Beteiligter war das Eishockeyfeld kleiner als das Standardmaß, das bedeutet eine geringeren Raum bis zur Bande. Zudem wurden hier in guter Absicht schnittfeste Bandenpolster eingesetzt, allerdings mit dem Nachteil, bei Aufprall weniger nachzugeben.”
Dem ISU-Kongress liegt ein Vorschlag vor, die Shorttrack-Runde von 111 auf 100 Meter zu verkürzen, um mehr “Auslauf” im Sturzfall bzw. mächtigere Bandenpolster zu schaffen. Die Idee findet aber nicht nur Freunde. “Die noch engere Runde würde neue Sturzrisiken schaffen”, meint Klein, “besser wären bei Aufprall nachgebende Banden, wie in Calgary.” ISU-Vorstandsmitglied Iwan Pandow (Russland) warf kürzlich einen recht unorthodoxen Vorschlag in die Debatte: eine trapezähnliche Runde mit je zwei spitzen und stumpfen Kurven – in den Spitzkehren würde Geschwindigkeit herausgenommen, und bis zur nächsten Spitze sei dann Raum zum Beschleunigen und Überholen.
Die mehrmalige Deutsche Meisterin Susanne Busch (Erfurt), die ihre Karriere nach Olympia 98 beendet hat und inzwischen Mutter zweier Kinder ist, hat die WM live am Fernseher verfolgt. “Es ist unglaublich, wie einen dieser spannende Sport sofort wieder gefangen nimmt, man fiebert in jedem Rennen mit”, sagt sie, “aber wenn man die Unfälle sieht, wird einem ganz anders. Meinen eigenen Kindern würde ich aber lieber eine andere Sportart empfehlen.”