Pankow statt Richmond
Trotzdem reitet Marco Weber auf der olympischen Welle / Podestplätze im Visier
Eigentlich wollte Marco Weber sich in diesem Frühjahr die neue Eishalle in Richmond bei Vancouver anschauen. Den Ort inspizieren, wo das olympische Karriere-Highlight im Winter 2010 bevorsteht und 2009 die WM als Generalprobe über die Bühne geht. „Und dann auch ein paar Wochen drüben bleiben.“ Jede Nuance unter die Lupe nehmen, ähnlich wie Radprofis, die vorher die Pyrenäen-Pässe der Tour kennenlernen, das empfände er als perfekt. Nicht nur der enorme Aufwand ließ den Chemnitzer vom Kanada-Projekt abrücken, denn auch die Familie braucht den Mann im Haus. Am 11. November letzten Jahres wurde Marco Papa, seitdem verdreht die kleine Antonia dem Langstrecken-Läufer den Kopf.
Die erste Lösung des Familien-„Problems“ war schnell gefunden. In Form einer kleinen Wohnung im Berliner Bezirk Pankow. Dort besuchen Freundin Luisa und ihr Wonneproppen den flotten Marco, der in Nagano mit dem Team den dritten WM-Rang belegte, im Weltcup mit den Plätzen 4 und 5 mächtig auf sich aufmerksam gemacht hatte. Bundestrainer Bart Schouten war sich zwischendurch gar nicht mehr sicher, ob der blonde Sachse als vielgefragter Daddy überhaupt in der Spur bleiben würde. „Doch nun ist er 100prozentig motiviert. Will ganz große Ziele erreichen.“
Marco Weber (25) zögert keine Sekunde, seine Pläne zu definieren: Podestplätze im Weltcup. Und Medaillen in Einzel- und Teamwertung. Das hatten deutsche Scater jahrelang nicht mehr so formuliert, doch der „Rückenwind“ der Nagano-Plakette macht’s möglich. Deshalb diene der bevorstehende Winter nicht (bloß) zur Konsolidierung. „Jetzt muss der Schritt nach oben folgen.“ Auch bei den Konkurrenten hat er ein Umdenken festgestellt. Die Aussicht „jetzt laufe ich gegen Marco Weber“ verspricht kein Honigschlecken mehr, sondern Kampf bis auf den letzten Meter. „Aber wir müssen noch mehr in die Weltelite vordringen“, fordert er konsequent – und ist bereit, „dafür ans Limit zu gehen.“
Im März hatte die kleine Familie auf Mallorca (endlich) ein bisschen Zeit für einander gefunden, auch wenn der Papa nicht vom Rennrad lassen konnte. Überhaupt trainiert Marco auch gerne als Solist. „Das ist mein Stil, dadurch bekomme ich Frische in den Kopf.“ Das Eisschnelllaufen war damals „ganz weit beiseite“ geschoben. Nur ein paar Bücher gehörten zum Gepäck. So nebenher (wie auch Tobias Schneider) bringt sich der sechsfache Deutsche Meister beruflich in Position. Das heißt: einmal pro Monat Präsenz in der Kölner Trainerakademie, bis zum März 2009 muss die Diplomarbeit unter Dach und Fach sein. Keine Überraschung: Das Thema hat unmittelbar mit seinem Sport und dem Material zu tun.
Ja – und dann wäre da die Homepage. Heutzutage unumgängliche Plattform für Spitzenathleten, die ihren „teuren Sport“ (Weber) auch durch Sponsoren finanzieren müssen. „Da hinke ich leider hinterher und müsste dringend mehr aktualisieren“, bekennt der nur temporäre Webmaster. Aber wann? Mit Verlaub. In den nächsten Wochen dürften die User wohl vergeblich auf News hoffen. Dabei wäre ein Foto samt Bildunterschrift bestimmt einen Blick wert. Ende nächste Woche geben sich Marco und Luisa in Chemnitz das Ja-Wort. Der Ehemann in spe freilich steht nicht auf großes Ballyhoo. Ist ja auch Privatsache. Trotzdem: Viel Glück!