Interview mit Claudia Pechstein zur Vorbereitung auf die Allround-WM
Vor dem Weltcup in Erfurt warst Du erkrankt und konntest eine Woche nicht trainieren. Du sagtest, dass Du beim Weltcup sehen wolltest wo Du in der Weltspitze stehst. Was hast Du heraus gefunden?
Ich habe beim Weltcup meine eigenen Erwartungen erfüllt. Neben der Erkältung kam jedoch noch ein weiteres Problem dazu mit meinem Rücken, dass ich bereits in Berlin zum Weltcupanfang hatte. Speziell auf den 3000m sind meine Beine wegen meines Rückens sehr schnell fest geworden. Die erste Runde war super und ich dachte, heute geht etwas, aber dann kam nicht mehr allzu viel. Jetzt geht es mir deutlich besser und ich werde sehen was an diesem Wochenende möglich ist (lacht).
Was können wir von Dir erwarten?
Mein Ziel ist nach wie vor eine Medaille und ich denke, dass ist auch realistisch. Die Bahn liegt mir glaube ich ein bisschen besser als die in Erfurt und ich hoffe, dass sie das Eis hier wieder schön wie bei den letzten Wettkämpfen hinbekommen werden.
Du hast alles gewonnen was es zu gewinnen gibt? Die Frage wird man Dir bestimmt auch schon das Eine oder Andere Mal gestellt haben – aber: wie motivierst du dich noch?
Es ist mit Sicherheit nicht einfach. Mal habe ich weniger und mal habe ich mehr Lust einen Wettkampf zu laufen. Ich zehre von meinen Siegen wie z.B. bei der EM in Heerenveen und diesen Titel wollte ich schon immer einmal haben, mit der Kutschfahrt und allem was dazu gehört. Das ist schon etwas ganz Spezielles. Nach einer Krankheitswoche mit Trainingsausfall denke ich schon darüber nach, was jetzt so möglich ist. Die Motivation ist aber schnell wieder da, wenn ich an erfolgreiche Wettkämpfe denke – und wenn ich dann wieder im Team und beim Training Spaß habe, denke ich wieder: “It’s time to win”. Das heißt nicht, dass ich am Ende ganz oben stehen muss – aber das ich mein Ziel erreichen möchte.
Die Kutschfahrt in Heerenveen hast Du vorher noch nicht selbst erlebt und sie war ja auch eines Deiner Ziele. Wie war es denn?
Die Kutschfahrt selbst ist nichts aufregendes. Aber sie gehört zum Ritual in Heerenveen und ist damit etwas ganz besonderes, das nicht jeder machen darf. Es war schon eine tolle Atmosphäre bei den tausenden Zuschauern das zu genießen. Und es ist besonders schön, wenn meine Familie und Freunde diesen Moment live miterleben…
Hast Du eigentlich Deinen Handschuh wieder mit dabei?
Meine Mama kommt und sie hat ihn mit dabei…
Woran liegt es, dass Dir die Bahn in Hamar mehr liegt als die Bahn in Erfurt und was verbindest Du damit?
Mit Hamar verbinde ich die Sternstunde meines ersten Olympia-Siegs, auch wenn es schon etwas länger (fast 15 Jahre) her ist. Ich erinnere mich speziell an den Moment, als ich auf der Zielgeraden stand und Gunda bei ihrem Zieleinlauf beobachtete. Für mich stand damals fest, dass Gunda gewinnen wird und auf einmal stand hinter meinem Namen immer noch Platz 1. Für mich stand damals fest, dass Gunda gewinnt und es war dann doch nicht so.
Das ein Moment, den man nie wieder vergisst…
Du wirkst diese Saison extrem entspannt. Liegt es am Alter, ist es die gewonnene Weisheit, das Training bei Peter Müller oder an einer Mischung aus allem?
Ich habe schon vor einer ganzen Weile alles gewonnen und hätte zu diesem Zeitpunkt schon entspannt sein können. Manchmal bin ich entspannt und manchmal halt nicht. Gerade nach der letzten Saison wo mir viele Journalisten gesagt haben, ich wäre zu alt und über meinen Zenit hinaus. Ich habe mir damals gesagt, dass diese Entscheidung ausschließlich von mir selbst getroffen wird. Daraufhin habe ich auf meiner Homepage dann meinen Frust abgelassen. Ich glaube, danach wurde vielen bewusst was sie eigentlich geäußert haben.
Gerade nach dem Weltcup in Moskau, mit meinen beiden Weltcupsiegen der Saison, kam dann auch fast eine Entschuldigung für die Aussagen im letzten Jahr. Im Nachhinein sage ich mir, dass ich eigentlich wirklich ganz locker und entspannt sein kann. Ich laufe nur noch für mich selbst und muss keinem anderen etwas beweisen. Ich versuche so heranzugehen, aber das ist immer nicht so leicht.
Die Deutschen Mehrkampfmeisterschaften hast Du ja deutlich gewonnen und bist allen davon gelaufen. Nun ist bei der WM Isabell Ost für die erkrankte Daniela Anschütz-Thoms am Start…
Ich habe heute noch Isabell gefragt, ob sie sich im Dezember hätte vorstellen können, dass sie bei der WM starten darf – und Sie: “nee, aber das ist schon cool”. Ich muss ehrlich sagen, dass es schade war, dass die anderen in Berlin nicht am Start waren. Anderseits hat es sich für Isabell gelohnt auch über die 5000m an den Start zu gehen. Viele andere junge Mädels haben das nicht gemacht und ärgern sich jetzt vielleicht hinterher darüber – richtig so! Es ist natürlich schade für Daniela, aber für Isabell ist eine eine gute Chance in den WM-Rummel reinzuschnuppern. Eine WM ist etwas ganz anderes als ein Weltcup. Beim Weltcup in Erfurt war sie ja schon ganz gut, mal schauen was sie in Hamar so zeigen kann.
Was bedeutet die Allround-WM neben den ganzen anderen Höhepunkten für Dich?
Also das Saisonziel an sich ist natürlich die Einzelstrecken-WM. Danach wird abgerechnet und der Kaderstatus wird festgelegt und es ist für mich natürlich keine Frage, dass ich irgendwie in den A-Kader komme (augenzwinkernd). Es ist aber irgendwie ein Saisonziel an sich.
Der Mehrkampf war noch nie so richtig mein Ding gewesen, aber nach der EM macht es natürlich wieder mehr Spaß. Ich hoffe, dass ich an diesem Wochenende alle vier Strecken super laufen kann. Am Ende wird man sehen was dabei heraus kommt. Es ist aber nach wie vor „nur“ eine Zwischenstation auf dem Weg zur Einzelstrecken-WM …aber Olympia ist das Wichtigste…
…also nächstes Jahr!
genau (lacht)
Letzte Frage: gibt es eine Frage, die man Dir in einem Interview noch nie gestellt hat. Die Du aber gerne mal beantworten würdet?
Das ist eine gute Frage! Eigentlich nicht?! Ich glaube da muss ich die Nacht einmal darüber nachdenken….