Grüße aus Seoul – Teil 4
Matthias Opatz berichtet für desg.de aus Seoul
WM-Tagebuch- Samstag
Man soll es nicht glauben, aber die deutschen Läufer hatten fast 10’000 Kilometer von der Heimat entfernt richtige Fans. Erst waren es drei, die die deutsche Fahne schwenkten, bei Claudia Pechsteins und Anni Friesingers Doppeltriumph waren es rund 20: Karin und Max aus Stuttgart, Sandra, Andrea und Moritz aus Berlin, Monika aus Kaufbeuren, Malte aus Krefeld, Juliane aus Heidelberg, Ilka und Pia aus Apolda, Claudia und Jan aus Bonn, Rene aus Wilhelmshaven, Thomas und Marie aus Hamburg, Markus aus Markoberdorf, Kay aus Oebisfelde, Angela aus Ravensburg, Britta aus Leipzig. Und alle aus Seoul. Denn die illustre Truppe, das sind Lehrer an der Deutschen Schule in Seoul mit ihren Familien.
“Hätten wir nicht Marco von Dijk im Freundeskreis gehabt, einen Holländer, wir hätten nicht erfahren, dass hier deutsche Sportler antreten, und auch noch zur Weltmeisterschaft”, erzählt einer, “in Seoul ist das absolut kein Thema, selbst als wir es wussten, haben wir nirgendwo eine Information darüber gefunden. Aber es ist super, das hier erleben zu können.” Ilka aus Apolda in Thüringen ist ein besonderer Fan von Gunda Niemann. “Unglaublich, wie sie nach der Babypause noch ein Comeback geschafft hat”, sagt sie, “wissen Sie, wo meine Tochter Pia Schlittschuh laufen gelernt hat? In Erfurt!” Spricht’s und schnappt sich ein ganz und gar in schwarz-rot-gold gehülltes Mädchen namens Pia, um wieder dem Geschehen zu folgen. Neben den Holländern, mit denen sich die Deutschen übrigens prächtig vertrugen, war dies übrigens der einzige ausländische hörbar wahrnehmbare Fanblock.. Anni und Claudia hat’s gefreut, und sie haben sich mit Gold und Silber bedankt.
Stimmen aus dem deutschen Team
Claudia Pechstein, Weltmeisterin über 3000 Meter
Das war ein sehr schweres Rennen und ich bin unheimlich froh über diese Goldmedaille, die ich auch für meinen Trainer geholt habe. Vielleicht hilft sie ihm bei der Genesung. Schade, dass die Atmosphäre gar nicht wie bei einer WM war, trostloser noch als manchmal in der Berliner Halle. Aber ich bin Weltmeisterin, damit habe ich das, was ich mir vorgenommen habe, im Sack, und morgen ist ein neue Tag, das werden wir sehen, was noch möglich ist. Es wird auf jeden Fall wieder sehr schwer.
Anni Friesinger, Vizeweltmeisterin über 3000 Meter
Wir haben ein superspannendes Rennen geboten, ich bin froh, dass ich nach den schweren 1500 Metern so gut gegenhalten konnte und mit der Silbermedaille total happy. Die Entscheidung fiel in der letzten Runde, als ich Claudias Schritte hinter mir hörte, wußte ich, jetzt hat sie dich im Blick und zieht. Ich kann aber nicht sagen, dass ich irgndwo etwas verschenkt hätte, ich habe alles gegeben. Heute fühle ich mich nach dem Rennen aber körperlich viel besser als gestern, für mich könnte die Saison glatt noch ein, zwei Wochen weitergehen. Aber egal, morgen werde ich über 1000 Meter noch einmal alles versuchen, wir werden sehen, was möglich ist.
Gunda Niemann-Stirnemann, Fünfte über 3000 Meter
Es war ein guter Lauf, ich bin zufrieden, für ein Mitlaufen ganz vorn fehlten mir einfach noch die intensiven Läufe, 500-Meter-Training. Ich habe vorher gesagt, die 3000 Meter sind mehr oder weniger der Test für die 5000, ich werde morgen alles geben, um den Traum von einer Medaille wahrzumachen. Aber es sind Klasseläufer am Start, es wird ein heißes Rennen.
Jörg Dallmann, Zwanzigster über 1500 Meter
Mann, ist das ärgerlich! Eine Handvoll Leute, die ich die ganze Saison über im Griff gehabt habe, laufen mir hier davon. Ich war total leer, gestern beim Training war ich noch viel frischer. Wahrscheinlich doch Jetlag.
Jan Friesinger, Zehnter über 1500 Meter
Ich bin mit meinem Rennen und meinem Platz zufrieden, im Vorjahr Siebzehnter, jetzt Zehnter, und nächstes Jahr noch weiter vorn. Die Kurve zeigt auf jeden Fall nach oben, und mit der WM auf der Heimbahn habe ich auch ein sehr schönes Ziel. Von Shani Davis bin ich nicht überrascht, ich habe mit ihm gerechnet, er ist von Mal zu Mal besser geworden, und bei dem schweren Eis hat er als Shorttracker in den Kurven einen wirklichen Vorteil mit seiner Lauftechnik.
Jenny Wolf, Vierte über 500 Meter
Vor zwei Wochen hätte ich nie geglaubt, dass ich hier in diese Regionen laufen könnte. Vom zweiten Lauf habe ich nicht viel mitbekommen, ich bin einfach gelaufen und gelaufen, und als ich im Ziel zur Anzeige gesehen habe, war ich einfach glücklich mit Platz vier. Natürlich ist es schade, wenn man mit drei hundertstel so dicht dran war an einer Medaille, das wäre natürlich schön, aber ich sehe nach vorn, vielleicht klappt das schon im nächsten Jahr in Inzell. Dann gibt es ja vielleicht auch noch die 100 Meter. Ich werde mich jedenfalls künftig nur noch auf die 100 und 500 Meter konzentrieren, 1000 sind einfach nicht mein Ding.
Monique Garbrecht, Siebente über 500 Meter
Tja, mehr war heute nicht drin für mich. Wenn man beim Start gepatzt hätte oder einen anderen Fehler gemacht hätte, wäre es wieder etwas anderes, aber das war nicht so, die anderen waren einfach schneller, und für mich war eine 38er Zeit, die ich gern gelaufen wären, nicht zu machen. Es war ja für mich eine schwere Saison, und manchmal dachte ich, ich bin wieder dran, und beim nächsten Rennen wird man wieder auf den Boden der Tatsachen geholt. Klar bin ich enttäuscht, aber ich bin nicht der Typ, der seine Enttäuschung sofort in Wurt umsetzen kann, ich kann daher auch für die 1000 Meter nichts versprechen. Aber ich sage mir, nach einer schlechten Saison kommt auch wieder ein gut, andere, zum Beispiel Marianne Timmer, sind schon durch ganz andere Täler gegangen und haben nicht aufgegeben.
Markus Eicher, Trainer von Jan und Anni Friesinger
Anni hat ein Superrennen gemacht, sehr spannend, und das Ergebnis ist stark. Auch Jan hatte ein sehr starkes Rennen, sein Abstand zur Spitze wird immer geringer.
Stephan Gneupel, Trainer von Jörg Dallmann und Vor-Ort-Trainer von Claudia Pechstein
Die Taktik, die wir uns mit Claudia zurechtgelegt haben, ist genau aufgegangen. Sie hat Anni nicht zu weit weggelassen, hat dann das Tempo angezogen, Anni hat gekontert, aber Claudia konnte noch einmal nachlegen und ihren Vorteil mit der letzten Kurve innen nutzen.
Für “Hugo” Dallmann war heute nichts zu holen, er hat alles versucht, aber er war gegenüber gestern völlig matt. Vielleicht hätte man in dieser Situation noch kürzer anreisen sollen.
Thomas Schubert, Trainer von Jenny Wolf
Ein tolles Ergebnis von Jenny, meistens bringt sie von zwei Läufen nur einen gut über die Bühne, deshalb habe ich trotz des zweiten Platzes bei Halbzeit nie an eine Medaille gedacht, aber Jenny hat tatsächlich noch einen zweiten schnellen Lauf hingelegt, und nun ist es natürlich ärgerlich, so knapp an Bronze gescheitert zu sein. Aber der vierte Platz ist hervorragend und gibt Zuversicht für die Zukunft.
Gold Grund genug den Trainer zu wecken – Gespräch mit 3000-m-Weltmeisterin Claudia Pechstein (Berlin)
Ihr erster Sieg im direkten Duell gegen Anni Friesinger …
So, ist das so? Schön.
… und dann gleich zur Weltmeisterschaft.
Na, um so schöner. Ich bin happy, dass ich den angestrebten Titelgewinn jetzt im Sack hab, auch für meinen Trainer Achim Franke. Es hört sich immer so leicht an, wenn einer Weltmeister werden will, aber es ist nicht leicht getan.
Hat Achim Franke das Rennen verfolgt?
Es kam ja leider nicht live im deutschen Fernsehen. Mein Manager hat es im holländischen Fernsehen live gesehen und den Trainer gleich angerufen und geweckt, in Deutschland wars ja nachts halb fünf.
Hatten Sie vor dem Rennen noch Kontakt zu ihm?
Ja, gestern abend habe ich noch mit ihm telefoniert. Aber ich wurde auch hier von Stephan Gneupel gut betreut.
War das ein Sieg nach Plan?
Naja, wenn ich antrete, will ich natürlich auch gewinnen, die Ergebnisse vom Weltcupfinale in Heerenveen haben mir Selbstvertrauen gegeben. Klar legt man sich eine Taktik zurecht, aber man muss das Rennen erst mal laufen. Das Eis hat mehr Probleme gemacht als vermutet, es war ein richtiger Acker, denn angestrebt hatte ich eine Zeit um die 4:10. Anni hat es mir auch nicht leicht gemacht.
Sie haben Anni in der letzten Kurve überholt und waren vor ihr im Ziel. Wussten sie, dass das der Weltmeistertitel ist?
Nein, erst nachdem ich zur Anzeige geschaut hatte, Gretha Smit hat ja eine starke Zeit vorgelegt.
Dann brach die Freude aus Ihnen heraus. Für wen war das Küsschen?
Für wen schon. Neben dem Trainer gibt es noch jemanden, der mir noch näher steht, mein Mann.
Geht es nach den WM in Seoul in den Urlaub?
Auf jeden Fall wird viel verreist. Erst drehe ich einen Kino-Werbespot zum Thema Osterweiterung der EU, der aber mit dem Eis zu tun hat, dann weile ich auf Einladung meines Sponsors in Schweden, dann gehts für eine Reisesendung nach Australien. Da ist immer schon mein Mann dabei, den ich ja im Winter über so selten für mich habe, danach fahren wir aber beide noch einmal nach Mallorca, nur für uns.