ngx [.info]

Just another WordPress site

Gespräch mit DESG-Präsident Gerd Heinze

Author: Redaktion Monday, July 4th, 2005 No Commented Under: Eisschnelllauf

“Ich sehe mich als Soldat für den Sport und die Sportler”

Seit dem 1. Juni 2005 steht der bisherige Vizepräsident Gerd Heinze der Deutschen Eisschnelllauf-Gemeinschaft als Präsident vor. Heinze ist 61 Jahre alt und arbeitet als Angestellter im Landessportbund Berlin, wo er im Referat Leistungssport für den Nachwuchs verantwortlich ist. Der Berliner war selbst aktiver Eisschnellläufer, gewann 1963 und 1965 Bronze bei den DDR-Meisterschaften über 5000 Meter und nahm an den Mehrkampf-EM 1964 in Oslo teil. Zum Präsidium der DESG gehört Heinze seit 1991, wo er jahrelang die Jugendarbeit verantwortet hat. Der “Kufenflitzer” sprach mit Gerd Heinze.

Gerd Heinze, wie sind Sie zum Eisschnelllauf gekommen?

Durch Zufall. Bei mir im Haus wohnte mit Gerhard Bräunlich einer der damals bekanntesten Eisschnelllauf-Trainer. Der lud mich und meine Schulklasse zu einer Eisschnelllauf-Werbeveranstaltung ein. Das war eine tolle Sache, allein schon die damals modernen und teuren Schlittschuhe probieren zu dürfen, wir kannten ja nur einfache Klammerschlittschuhe.

Ich blieb dann dabei, wie meine halbe Schulklasse übrigens, aus der mit Rita Blankenburg (Schmidt) und Sigrid Behrenz zwei Olympiateilnehmer hervorgegangen sind.

Wie weit haben Sie es selbst im Eisschnelllauf gebracht?

In der deutsch-deutschen Olympia-Qualifikation für Innsbruck 1964 bin ich knapp an Jürgen Traub gescheitert, damals war übrigens auch Gerhard Zimmermann erfolgreich dabei. Im gleichen Jahr durfte ich bei den EM in Oslo starten, das war eine chaotische Geschichte …

Inwiefern?

Wir waren zum Training in Zakopane in der polnischen Tatra, als mich spätabend ein Anruf erreichte, ich hätte eine halbe Stunde Zeit mich fertigzumachen für die Abreise nach Oslo. Die ging dann über 3 Tage über Warschau und Berlin nach Norwegen, da war ich einen Tag vor der EM-Beginn in Oslo und leider beim eigentlichen Wettkampf ziemlich platt.

Wie lange waren Sie selbst aktiv?

1966 habe ich meine Karriere wegen Wirbelsäulenbeschwerden beendet und wurde Nachwuchstrainer.

Was ist Ihnen aus der damaligen Zeit besonders in Erinnerung?

Vom Material her waren wir aus heutiger Sicht sehr einfach bestückt, aber es gab großen Enthusiasmus.

Trainingszeiten auf Kunsteis waren knapp, beispielsweise standen wir sonntags früh um sechs auf dem Eis in der Werner-Seelenbinder-Halle, um 5000 m zu laufen. Wenn es die Winter zuließen, haben wir in der Wuhlheide selbst Eisbahnen aus Natureis gebaut. Besondere Höhepunkte waren Zweier-Mannschaftsrennen in den Drittelpausen von ausverkauften Eishockeyspielen, das war Sechstagerennen im Kleinformat.

Und 1965 habe ich beim Sommertraining in Zinnowitz noch die Einführung der einspurigen Rollschuhe erlebt, die man heute Inline-Skates nennt. Die Technik war aber noch nicht so ausgereift, damals war es eine Qual, damit zu laufen.

In späteren Jahren hatten Sie dann unmittelbar Kontrakt zu Rollschnellläufern …

Ja, ab Ende der 60er Jahre war ich als Trainer eng in die Kooperation mit dem Rollsport eingebunden. Damals wurde versucht, dort Talente zu entwickeln und zu gewinnen ” ein Thema, das ja bis heute nichts an Aktualität eingebüßt hat. Besonders ab 1978, als ich Bezirkstrainer Eisschnelllauf wurde, hatte ich regelmäßig mit Rollschnelllauf-Vereinen in verschiedenen Teilen der DDR zu tun.

Wie sind Sie in den Vorstand der DESG gekommen?

Ich gehörte Anfang 1990 zu den Mitgründern des eigenständigen DDR-Eisschnelllauf-Verbandes (bis dahin gab es nur den Eissport-Dachverband DELV), in dem ich zum Vizepräsidenten gewählt wurde. Ich war als Parteiloser nicht politisch belastet und meine Tätigkeit und Kompetenz war offenbar anerkannt. Als der Ostverband im November 1990 in die DESG aufgenommen wurde, kam ich zunächst kommissarisch als Beisitzer in den Vorstand.

Auf der außerordentlichen Mitgliederversammlung 1991 wurde ich regulär als Jugendbeauftragter ins Präsidium gewählt. Seit 2002 bin ich Vizepräsident.

Nun sind Sie Präsident. Mit welchen Vorstellungen haben Sie das Amt übernommen?

Zum einen will ich den Verband erfolgreich nach Turin führen, wobei ich auf die sehr gute Arbeit meines Vorgängers aufbauen kann. Zudem sollen die Voraussetzungen geschaffen werden, dass der Verband auch über Turin hinaus erfolgreich arbeiten kann. Nach Turin wird es mit Sicherheit einen Schnitt geben.

Was ist darunter zu verstehen?

Die meisten Verträge laufen aus, und wir müssen die Gelegenheit nutzen, um die Trainer-, Personal- und Förderstrukturen den neuen Möglichkeiten und Notwendigkeiten anzupassen. Einerseits sind wir, wie andere Verbände auch, Sparzwängen unterworfen, andererseits gibt es einen hohen Anspruch an die Effektivität der Arbeit. Konkret geht es zum Beispiel um Konzentration der Hochleistungsförderung, nicht nur unter dem Aspekt der Einsparung, sondern vor allem auch unter dem Aspekt der Erhöhung der Qualität.

Heißt das, dass es künftig weniger Standorte für Eisschnelllauf geben wird?

Auf keinen Fall. Dem Eisschnelllaufsport sind ja durch die Anzahl der Sportstätten in Deutschland Grenzen gesetzt, aber diese Breite wollen wir unbedingt pflegen. Man darf die Blume nicht an den Blüten gießen, sondern an den Wurzeln. Deshalb ist die Stärkung der Landesverbände eines meiner wichtigsten Anliegen. Wenn wir diesen Sport, der hierzulande nicht gerade ein Massenvolkssport ist, auch künftig haben wollen, geht das nicht ohne die Stärkung der Regionen. Dazu gehört auch der Kampf um faire Nutzungsbedingungen für die Sportstätten. Der Schulterschluss der Landesverbände im Sinne einer Solidargemeinschaft nützt allen, dazu gehört Geben und Nehmen.

Wenn aber ein Spitzensportler in Leistungszentren abwandert, kann das doch keine Stärkung seiner Herkunftsregion sein.

Doch, denn wenn er durch die konzentrierte Förderung leistungsfähiger wird, wird er auch ein noch besseres Aushängeschild für seinen Verein. Dass er diesem trotz neuem Trainingsmittelpunkt treu bleibt, halten wir für wünschenswert.

Das wird aber gegenwärtig nicht überall so gehandhabt.

Es gibt solche Fälle, aber diese Wechsel gehen nicht von uns aus. Wenn Verein und Athlet über einen Wechsel einig sind, wollen und können wir das natürlich nicht verhindern.

Grundsätzlich ist es aber so, dass für von der DESG bezahlte Trainer die Vereinszugehörigkeit eines anvertrauten Athleten keine Rolle spielen darf. Und die Dienstleistungen der regionalen Olympiastützpunkte sind für Athleten im Fördersystem ebenfalls nicht an Mitgliedschaften in örtlichen Vereinen geknüpft.

Wo sehen Sie besondere Reserven?

Wenn nach Turin der eine oder andere Sportler seine Karriere beendet, müssen junge Sportler so gut wie möglich in diese Leistungsbereiche geführt werden. Wir haben junge Sportler, die das Zeug haben, mittelfristig in die internationale Spitze vorzudringen. Und das Ziel haben wir auch bei den Männern. In den Regionen muss es gelingen, immer wieder genügend Kinder für diesen Sport zu begeistern, was immer schwerer wird.

Ein Wort zur zweiten leistungssportlich betriebenen Sportart im Verband, die aber zuweilen etwas im Schatten des klassischen Eisschnelllauf steht: Shorttrack.

Wir haben in den zurückliegenden Jahren im Shorttrack Fortschritte gemacht, aber die Situation ist nach wie vor schwierig. Shorttrack ist in der Fördergruppe IV, obwohl die Staffel-Leistungen die Fördergruppe III rechtfertigen würden. Für mich unverständlich, wurden diese Ergebnisse in einer olympischen Disziplin nicht entsprechend einbezogen.

Obwohl theoretisch für Shorttrack ungleich mehr potentielle Sportstätten zur Verfügung stehen als für Eisschnelllauf, denn man kann es ja auf jedem Eishockeyfeld betreiben, ist die Basis vergleichsweise bescheiden. Probleme vor Ort sind Eiszeiten und Eiskosten, denn für professionelles Training braucht ein Verein mehrere Stunden Eiszeit täglich. Selbst in der Sportstadt München erfordert das immer wieder einen zähen Kampf.

Viele Jahre lang konnte nur in Dresden und Rostock wirklich professionell trainiert werden, jetzt sind auch München und Mannheim auf einem guten Weg. Nach wie vor haben wir einen Mangel an wirklich sehr gut ausgebildeten Trainern, und die Lücke, die der aus Altersgründen ausscheidende Cheftrainer Jürgen Dennhardt nach Olympia in Turin hinterlässt, wird kurzfristig nicht so leicht zu schließen sein.

Wie kann man Shorttrack auf breitere Füße stellen?

Das lässt sich administrativ nicht lösen. Man braucht vor Ort zum einen entsprechende Eiszeiten und zum anderen Pioniere, die die Sportart mit Tatkraft aufzubauen gewillt sind. Wenn das der Fall ist, werden wir alles tun, um den Aufbau dort zu fördern. So geschieht es in Grefrath, wo wir die Bemühungen zur Etablierung von Shorttrack unterstützen. Man braucht aber auch Geduld, denn es dauert viele Jahre, bis Nachwuchsarbeit Erfolg zeigt.

Ich befürworte auch überall dort, wo dies möglich ist, die parallele Ausübung von Shorttrack und Eisschnelllauf für den Nachwuchs, davon profitieren beide Seiten. Shorttrack ist eine ausgezeichnete Technikschule. Dazu benötigt man keine Hochleistungsausrüstung. Grundlage für die Ausübung von Shorttrack ist aber immer größtmögliche Sicherheit. Das betrifft Bandenschutz, Kleidung und eine nicht zu große Läuferanzahl auf dem Eis.

Im Sommer nach den Winterspielen gibt es eine ordentliche Mitgliederversammlung der Deutschen Eisschnelllauf-Gemeinschaft. Werden Sie dort wieder für das Präsidentenamt kandidieren?

Das lässt sich jetzt noch nicht sagen, sondern hängt vom Arbeitsergebnis ab, davon, inwieweit es mir gelungen ist, alle in unsere gemeinsamen Arbeit einzubeziehen, und wie meine Mitstreiter meine Tätigkeit bewerten. Ich sehe mich als Soldat für den Sport und die Sportler, ich habe persönlich keine Machtambitionen. Wenn es jemanden gibt, der besser geeignet ist, werde ich dem nicht im Wege stehen.

Gespräch: Matthias Opatz

Comments are closed.