ngx [.info]

Just another WordPress site

Historie 6: Schwerer Neubeginn

Author: Dirk Gundel Sunday, July 6th, 2003 No Commented Under: Historie

In loser Folge wollen wir an Athleten erinnern, die sich um die Entwicklung unserer Sportart in Deutschland verdient gemacht haben.

Teil 6: Ein Sprintstern geht auf

Prolog:
Der Krieg war vorbei, und Deutschland lag in Schutt und Asche. Die Siegermächte hatten Deutschland aufgeteilt, zahlreiche Eisbahnen waren zerstört und Schlittschuhe und entsprechende Kleidung gehörten zur Mangelware.
Da Deutschland schon vor dem Krieg den Anschluss an die Weltspitze deutlich verloren hatte, war das Schlimmste zu befürchten.

Es erscheint fast wie ein Wunder, das die Eisschnellläufer nur ein paar Jahre später in die Weltspitze zurückkehrten. Nach einem kurzen gemeinsamen Weg trennten sich schnell die Wege der Athleten aus Ostdeutschland und Westdeutschland. 1949 wurden die BRD und die DDR gegründet, damit war die Trennung endgültig vollzogen.

Die Geschichte der nachfolgenden 40 Jahre kann deshalb nur getrennt betrachtet werden.
Der fünfte Teil beschäftigte sich mit der Entwicklung in der DDR, im Teil 6 wird die BRD betrachtet.

Der Hamburger Arthur Vollstedt war mittlerweile in Köln wohnhaft und da dort auch eine Eisbahn zur Verfügung stand, begann er als Trainer eine kleine Schar von Läufern auf das Wettkampfgeschehen vorzubereiten. Dies war ein Glücksfall, denn die Kölner konnten unter dem erfahrenen Trainer im deutschen Eisschnelllauf die ersten Impulse setzten.

Die ersten Deutschen Meisterschaften nach dem Krieg fanden dann bereits 1947 auf dem Wöhrsee in Burghausen statt. Die Leistungen des kleinen Teilnehmerfeldes blieben weit hinter den Vorkriegsleistungen zurück. Für Schlagzeilen sorgte nur ein Dieb, der den anwesenden Fotografen im Hotel die damals sehr wertvollen Kameras entwendete. Meister wurde der Berliner Werner Egerland , der bereits 1943 den Titel gewonnen hatte.

1948 fiel die Meisterschaft aus, 1949 jedoch auf dem Schliersee begann die Kölner Vorherrschaft. Bernd Geuer vor Heinz Hagedorn bei den Herren und Lilli Balg-Bauer bei den Damen sorgten für Kölner Erfolge.

Auf dem Thumsee konnten Geuer (vor drei weiteren Kölnern) und Balg-Bauer ihre Titel verteidigen. Dann begann der Siegeszug des jungen Kölners Theo Meding , der von 1951 bis 1954 viermal in Folge den Meistertitel holte. Bei den Damen sorgten die Kölnerinnen Inge Massmann (1951), Gertrud Meding (1952,1953) und Maria Degen (1954,1955) für weitere Titelgewinne des rheinischen Vereins. International war der Abstand zur Weltspitze jedoch größer denn je. Zwar belegte Theo Meding bei der Weltmeisterschaft 1951 in Davos den elften Platz und über 10000 Meter sogar Rang vier, aber das blieb in den nächsten Jahren die einzige Platzierung unter den ersten 20 bei internationalen Titelkämpfen. Unter den ersten 100 in den Jahresweltbestenlisten suchte man deutsche Athleten (mit Ausnahme von Meding) vergeblich.

Mit den beiden jungen Münchnern Ernst Räpple und Hans Keller begann 1955 die bayerische Vorherrschaft im westdeutschen Eisschnelllaufen. Die letzten Vorkriegsrekorde konnten nun unterboten werden. Doch die Probleme wurden nicht geringer. 1956 fand die Deutsche Meisterschaft im Rahmen der Schweizer Titelkämpfe in Davos statt, 1957 und 1958 fiel sie mangels Ausrichter ganz aus.

FrillenseeDas Eisschnelllaufen in der Bundesrepublik war an einem Tiefpunkt angekommen. Das Jahr 1959 brachte jedoch die Wende. Auf dem Rießersee fanden wieder Deutsche Meisterschaften statt, bei denen die Münchener Josef Biebl und Hans Krauss einen Doppelsieg feierten. Nach dieser Saison erinnerte man sich wieder an den Frillensee (Bild) bei Inzell und fand dort bereits im November 1959 eine dicke Eisschicht vor. Der Frillensee selbst sollte auf Grund seiner Abgelegenheit nur für vier Jahre die Trainings- und Wettkampfstrecke der deutschen Eisschnellläufer sein. Aber mit Inzell hatte man einen Ort gefunden, der bis heute viel für das Eisschnelllaufen getan hat und mit dem Bau der Kunsteisbahn seit 1965 auch die internationale Konkurrenz zahlreich anlockte.

Mit dem Frillensee begann auch die kontinuierliche Förderung der deutschen Läufer. Als Glücksfall erwies sich, das der Schweinfurter Rollschnellläufer Günter Traub 1959 auch mit dem Eisschnelllaufen begann. Von 1959 bis 1961 trainierte der Klagenfurter Walter Meterc die deutschen Asse, anschließend übernahm der Finne Penttii Peltoperää das Traineramt.

Die guten Trainingsbedingungen, erfahrene Trainer und das Vorhandensein eines internationalen Spitzenläufers sorgten in den nächsten Jahren für einen enormen Aufschwung des Eisschnelllaufens in der Bundesrepublik.

Günter TraubGünter Traub (Bild) gelang am 19./20.Januar 1963 in Madonna die Campiglio etwas Bemerkenswertes. Erstmals seit der Anfangszeit des Eisschnelllaufens stellte eine deutscher Athlet bei den Herren wieder einen Weltrekord auf. Und dies auch noch in der Königsdisziplin im Großen Vierkampf. Auch wenn ihm nur Stunden später im norwegischen Hamar Knut Johannesen den Rekord wieder abnahm, war es der Durchbruch für die deutschen Herren. 1968 zum Ende seiner Laufbahn konnte Günter Traub den prestigeträchtigen Weltrekord ein zweites Mal in seinen Besitz bringen.

Bei den internationalen Titelkämpfen blieb Günter Traub der große Wurf jedoch verwehrt. Bei den olympischen Spielen 1964 und 1968 belegte er als beste Platzierung jeweils einen elften Rang. Die Weltmeisterschaften 1963 beendete er auf Rang zwölf. Mit Platz sechs 1962 sowie jeweils Rang neun 1963 und 1964 bei den Europameisterschaften, blieb er auch hier ohne Medaillengewinn.

Günter Traub konnte auf den Strecken von 1000-10000 Meter jeweils neue Deutsche Rekorde aufstellen, er wurde zwischen 1961 und 1968 viermal Deutscher Meister, sowie zweimal Vizemeister.

Nach seiner aktiven Laufbahn blieb Günter Traub dem Sport treu. Er trainierte die amerikanische Eisschnelllaufmannschaft, hatte als Fitnesstrainer Anteil an den Erfolgen von Michael Schumacher und arbeitete auch als Fitnesscoach des spanischen Königs Juan Carlos. Trotz eines schweren Unfalls kehrte er auch selbst auf das Eis zurück und siegte 2001 und 2002 bei den Seniorenweltmeisterschaften. Dabei lief er ein paar Tage vor seinem 63.Geburtstag noch eine Zeit von 7.52,92 über 5000 Meter.

Im Schatten von Günter Traub entwickelten sich weitere Athleten, die ihn bald überholen sollten. Herbert Höfl auf den kurzen Strecken und Gerhard Zimmermann auf den längeren Strecken waren bald gleichwertig. 1964 siegte Gerhard Zimmermann erstmals bei den deutschen Meisterschaften im Vierkampf. Bis 1972 blieb er hier unbesiegt, und sicherte sich acht Meistertitel. Lediglich bei den Meisterschaften 1968 musste Gerhard Zimmermann aus gesundheitlichen Gründen nach zwei Strecken passen.

Gerhard ZimmermannVor allem von 1966 bis 1969 war Gerhard Zimmermann (Bild nahe an einer Medaille bei internationalen Meisterschaften dran. So belegte er die Ränge Vier, Fünf und Sieben bei den Europameisterschaften und einmal Rang Neun bei den Weltmeisterschaften.

Bei den Olympischen Spielen errang der aus München stammende Läufer die Ränge Sieben (1964) und Acht (1972) über 10000 Meter, zudem Rang Neun (1972) über 5000 Meter. Er gehörte neun Jahre zur internationalen Spitze und stellte insgesamt 36 Deutsche Rekorde auf.

1965 war ein besonderes Jahr. Am 21.August 1965 wurde die Deutsche Eisschnellauf-Gemeinschaft gegründet, deren Präsident heute Gerhard Zimmermann ist. Zudem wurde am 11.Dezember in Inzell die neue Rekordbahn eröffnet.

Dabei stellte der junge Münchener Erhard Keller in 41,3 Sekunden über 500 Meter einen neuen Deutschen Rekord auf. Nur 6 Jahre und drei Monate später beendet Erhard Keller seine Amateurlaufbahn vorläufig. Seine Bestzeit hatte er inzwischen auf 38,0 verbessert und aus dem nahezu unbekannten Läufer war ein Weltstar geworden.

Bei den olympischen Spielen 1968 galt Erhard Keller bereits als Favorit über 500 Meter. Zwar war seine beste Platzierung bei internationalen Meisterschaften bis dahin nur Rang 22 bei den Mehrkampfweltmeisterschaften, aber für die Sprinter gab es damals noch keine eigenen Meisterschaften. Nachdem Keller bereits 1967 den Weltrekord egalisiert hatte, gelang ihm vor den olympischen Spielen eine weitere Rekordverbesserung. In Grenoble siegte er dann mit 0,2 Sekunden Vorsprung und sicherte nunmehr auch den deutschen Herren den ersten Olympiasieg.

Doch sein Meisterstück lieferte er 1972 in Sapporo ab. Unter schwierigen Bedingungen lief er um 0,25 Sekunden schneller als die Konkurrenz und wurde zum zweiten Mal Olympiasieger über 500 Meter. Nach zwei Fehlstarts kam Keller schwer in Gang und lag nach 100 Metern in 10,06 nur auf Rang 14. Doch dann beschleunigte er auf dem spröden Eis und kam zum souveränen Sieg.

Erhard KellerEndlich wurden auch Sprintweltmeisterschaften ins Wettkampfprogramm aufgenommen. Nach Platz sechs bei den ersten Titelkämpfen 1970 in West Allis, gab es 1971 in Inzell die zweiten Meisterschaften. Vor heimischen Publikum sorgte Erhard Keller (Bild) für den ersten Weltmeistertitel für Deutschland überhaupt, diese Ehre teilte er sich mit der Berlinerin Ruth Schleiermacher , die als Titelträgerin bei den Damen den Triumph für das deutsche Eisschnelllaufen perfekt machte.

Von 1970-1972 sicherte sich Erhard Keller souverän die Deutschen Meistertitel im Sprint. 1977 kehrte er noch mal zurück und gewann seinen vierten Meistertitel. Dazwischen lag der Versuch mit einigen anderen Topathleten eine Profiserie aufzubauen. Neben Keller und Zimmermann waren auch die Niederländer Ard Schenk, Kees Verkerk und Jan Bols sowie viele der besten Skandinavier um Roar Grønvold an dem Versuch beteiligt. Die Serie schlitterte aber bereits 1974 in die Pleite. Die Teilnehmer an dieser Serie durften an den Olympischen Spielen 1976 nicht teilnehmen, Erhard Keller musste so auf die Chance eines dritten Olympiasieges verzichten.

Durch den Abgang seiner besten Läufer in den Profibereich, sowie das Ende der Karrieren weiterer Spitzenläufer des vergangenen Jahrzehnts fiel das deutsche Eisschnelllaufen nun wieder in ein kleines Loch.

Keller selbst sorgte 1982 aus Anlass einer Wette noch mal für Aufsehen. Obwohl seit fünf Jahren nicht mehr aktiv, lief er die 500 Meter in 39,1 Sekunden eine Zeit die damals zur deutschen Spitze gereicht hätte.

Nur 9 Monate nach seinem zweiten Olympiasieg promovierte der Münchener und eröffnete in Schwabing eine Zahnarztpraxis. Aus dem Eisschnelllaufumfeld hat sich der mittlerweile 58jährige inzwischen weitgehend zurückgezogen.

Während in der DDR Helga Haase für beträchtliche Erfolge bei den Damen sorgte, blieben die Läuferinnen in der Bundesrepublik weitgehend hinter den Herren zurück.

Die deutschen Meisterschaften fanden Anfang der 60er Jahre überhaupt nicht statt und in den nachfolgenden Jahren waren die Teilnehmerfelder recht klein. Erste Erfolge zeigten sich dann erst 1968. Bei den Olympischen Spielen sorgten Hildegard Sellhuber (sie heiratete später Gerhard Zimmermann) als Neunte über 1500 Meter und Eva-Maria Sappl als Zwölfte über 500 Meter für die besten Ergebnisse nach dem Krieg. Nach weiteren vier Jahren begann 1972 die überaus erfolgreiche Karriere der Monika Pflug . Aber dies ist schon wieder eine andere Geschichte.

Das deutsche Eisschnelllaufen war in den beiden getrennten deutschen Staaten ab Mitte der 50er Jahre nach und nach zu einer Erfolgsportart geworden. Das die Zukunft die großen Erfolge dieser Jahre noch in den Schatten stellen sollte, konnte damals noch niemand wissen. Mit Helmut Kuhnert , Günter Traub, Gerhard Zimmermann und Erhard Keller bei den Herren, sowie Helga Haase bei den Damen hatten die Deutschen gleich fünf Weltklasseathleten.
(c) Dirk Gundel
Teil 1: Julius Seyler
Teil 2: Alfred Lauenburg
Teil 3: Arthur Vollstedt
Teil 4: Die Damen greifen ein
Teil 5: Helga Haase

Comments are closed.