Einzelstrecken-WM 2007, WM-Tagebuch 2/5
Erste Titel gehen in die Niederlande / Opitz Elfte, Lehmann Zwölfter
WM-Tagebuch, Teil 2 von 5 — Donnerstag (8. März 2007)
Von Matthias Opatz
Das Utah Olympic Oval in Kearns (Innenansicht während des ersten Wettkampftags)
In Abwesenheit von Anni Friesinger holte sich über 1500 Meter erwartungsgemäß Ireen Wüst (Niederlande) den ersten Weltmeistertitel dieser Einzelstrecken-WM. Vor rund 600 Zuschauern (zur Hälfte stimmungsvolle Schulklassen) lief Wüst in 1:52,71 Minuten die schnellste bisher bei Strecken-WM gelaufene Zeit (bisher Friesinger, 1:54,58) und die erst fünfte Zeit aller Zeiten unter 1:53 (3x Klassen, 2x Wüst). Wüst verwies Titelverteidigerin und Olympiasiegerin Cindy Klassen (Kanada/1:53,40) sowie Kristina Groves (Kanada/1:54,39) auf die weiteren Medaillenplätze. Beste (und einzige) Deutsche in Feld war als Elfte Lucille Opitz, die in 1:58,60 ihre persönliche Bestzeit um 61 Hunderstel verfehlte.
“Klar wäre ich gern in die Top-Ten gekommen, aber angesichts der Tatsache, dass ich die Tage zuvor nicht ganz fit war bin ich trotzdem zufrieden”, meinte die 29jährige Mannschafts-Olympiasiegerin, “so kann dem Teamrennen optimistisch entgegensehen, ich glaube, wir sind zusammen zu einer sehr gute Leistung fähig. Auch wenn heute ein paar Topleute gefehlt haben, das war heute mein bestes 1500-m-Resultat dieser Saison, also sehe ich das positiv.”
Ireen Wüst war froh über den Weltmeistertitel, aber nicht ganz mit ihrer Zeit. “Ich hatte gehofft, dass das Eis heute einen Weltrekord zulässt, aber dafür war es nicht schnell genug”, sagte Wüst, “aber zum zweiten Mal unter 1:53 ist auch kein Grund, unzufrieden zu sein. Schade, dass die Stimmung hier etwas unterkühlt ist, in Heerenveen zu gewinnen macht mehr Spaß.”
Ein zweiten holländischen Erfolg gab es über 5000 m der Herren. Weltrekordhalter Sven Kramer lief im letzten Paar 6:10,70 min und zog seinen Kontrahenten Enrico Fabris (Italien/6:12,53), der 3000 m lang auf Augenhöhe mit Kramer gelaufen war, ehe dieser mit einem Zwischenspurt davonzog. Bronze gewann Carl Verheijen (NED/6:15,21). Bester Deutscher war der Erfurter Robert Lehmann, der schon im dritten Paar lief und dessen 6:25,98 min am Ende für Platz zwölf reichten. “Von der Renneinteilung her ist es so gelaufen, wie ich mir das vorgenommen hatte, allerdings hatte ich gehofft, dass das Eis noch etwas schneller sein würde und eine halbe Sekunde weniger pro Runde bringt, sodass ich in Richtung Deutscher Rekord laufen kann. Aber das hat a alle gebremst, und einige wie Ervik sind ja regelrecht eingebrochen.”
Eingebrochen ist leider auch Tobias Schneider, der 2500 m lang in Soll lief, aber dann einen Abbruch erlebte und mit 6:47,36 min 23. (von 24) wurde. “Ich kann normalerweise auch noch mit Schmerzen gut durchlaufen, aber ich habe einfach keine Luft mehr bekommen, die Sauerstoffschuld war riesig”, meinte Schneider nach dem Rennen, “ich komme mit der dünnen Luft hier einfach nicht klar, das war schon im vorigen Jahr so. Aber über 1500 Meter spielt das nicht so eine große Reolle, da kann ich durchpowern. Denn an den Kräften hat es bestimmt nicht gelegen, ich war auch relativ schnell regeneriert nach den 5000 Metern.”
Mit Platz 16 hat Marco Weber zwar ein respektables Ergebnis erzielt, aber nicht, das, was er sich vorgestellt hatte (Platz 10 bis 12). “Es lief nicht so glatt wie in Calgary, ich musste zu viele Schritte machen und bin nicht in meinen Rhythmus gekommen”, meinte der Chemnitzer, “aber jetzt schaue ich nach vorn, ich habe noch die 10”000 m und das Teamrennen vor mir.” Hinsichtlich der 10 Kilometer lohnt es sicherlich, an die Weltmeisterschaften 2005 in Inzell zu erinnern. Nach Platz 20 über 5000 Meter hatte keiner mehr einen Pfifferling darauf verwettet, dass Marco Weber über 10”000 Meter was reißen kann – und dann sorgte dieser mit Platz sieben für das beste deutsche Männer-Resultat.
Männer-Trainer Bart Schouten nahm seine Mannschaft anschließend gegen überzogene Kritik in Schutz. “Wir haben viel erreicht in dieser Saison, das kann man nicht an diesem Rennen ablesen” so Schouten, “dennoch ist Robert Lehmanns Rennen heute sehr stark. Marco Weber hatte sich vielleicht zuviel vorgenommen, es ist nicht so locker gelaufen wie in Calgary, er kann mehr. Und Tobias Schneider ist einfach mit den Bedingungen nicht zurecht gekommen, er reagiert besonders stark auf die dünne Luft. Vielleicht sollte man für solche Läufer überlegen, sie erst unmittelbar vor dem Wettkampf anreisen zu lassen, anstatt über eine Woche oder mehr schon ein Sauerstoffdefizit aufzubauen.”
Frauen-Bundestrainer Markus Eicher war mit Lucille Opitz” Leistung zufrieden, verzichtet aber dennoch auf ihren Einsatz über die 3000 Meter am Freitag, für die sie qualifziert gewesen wäre. “Das ist eine Entscheidung im Sinne des Mannschaftsrennens am Samstag, wenn Lucille jetzt einen Ruhetag hat.” Neben Claudia Pechstein und Daniela Anschütz-Thoms läuft nun Katrin Mattscherodt.
Auslosung, 3000 m Damen: Klassen (CAN) – Mattscherodt, Pechstein – Groenewold (NED), Sablikova (CZE) – Anschütz. 500 m Herren: Hahn – Ioriatti (ITA).
Am Vormittag hatte auch Samuel Schwarz nach einer fiebrigen Infektion seine erste Trainingseinheit überhaupt auf dem Eis des “Utah Olympic Oval” absloviert “Den Umständen entsprechend ging es gut, ich muss mich erst einmal an das Eis gewöhnen”, meinte Schwarz. Und Teamleiter Helge Jasch: “Jetzt haben wir wieder Hoffnung, dass Samuel mindestens einen Start wahrnehmen kann.” Der Berliner ist sowohl für die 1000 m am Sonnabend als auch für die 1500 m am Sonntag qualifiziert.
Am Abend nach ihrer Arbeit hatte eine Handvoll deutscher Berichterstatter noch ein Erlebnis besonderer Art – den Besuch einer öffentlichen Chorprobe des MoTab, des Mormon Tabernacle Choir (svw. Chor des Mormonen-Heiligtums). Obwohl die Probe wöchentlich stattfindet und nicht plakatiert war, übertraf die Zahl der Sänger, Musiker und Probenbesucher im LDS-Konferenzentrum die Zahl der Sportler und Zuschauer am ersten Tag der Weltmeisterschaften auf der Eisbahn mühelos. Der bekannte Chor hatte allein rund 300 Sängerinnen und Sänger auf der Bühne und probte, teils mit komplettem Sinfonierorchester und teils mit Orgelbegleitung, klassische Chorwerke. Dazu kamen an die 1000 Zuhörer. Trotzdem wirkte das internationale Konferenzzentrum der Mormen so gut wie leer – es hat 21”000 Sitzplätze!