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Triumph und Tränen

Author: Gastauthor Monday, November 16th, 2009 No Commented Under: Short Track

DESGphoto Sebastian Praus DESGphoto / L. Hagen

Staffel-Halbfinale am letzten Weltcuptag. Wie in Peking, Seoul und Montreal, so auch in Marquette: Die Männer feuern die Frauen an, die Frauen die Männer. Bedingungslos. Unter der Regie von Bundestrainer Éric Bédard sind sie anderthalb Jahre lang durch dick und dünn gegangen. Bedingungslos. Fühlten sich stark genug, um bei der Weltspitze zumindest anzuklopfen und sich mit breiter Brust für die Olympischen Winterspiele zu qualifizieren. Doch der Ausgang dieses Halbfinales spielte bedingungslos Schicksal, so dass am Ende die Unterschiede größer kaum sein konnten.

Die Frauenstaffel verpasste den für ein Olympiaticket nötigen Einzug ins A-Finale. Aika Klein, Susanne Rudolph, Christin Priebst und Bianca Walter hockten in der Heatbox und heulten wie die sprichwörtlichen Schlosshunde. So hart kann Sport sein. Und manchmal auch ungerecht. Denn ihre Disqualifikation in der Vorwoche in Montreal, durch die sie hier erst so unter Druck geraten waren, fußt auf einer zweifelhaften Schiedsrichterentscheidung.

Die Männerstaffel hingegen lief mit neuem Deutschen Rekord ins A-Finale und nach Vancouver. Überglücklich lagen sich Sebastian Praus, Tyson Heung, Paul Herrmann und Robert Seifert in den Armen. Und um ein Haar wäre das Quartettim Endlauf  (diesmal mit Torsten Kröger für Seifert) sogar aufs Treppchen gelaufen, Deutschland und den Dritten Südkorea trennte im Ziel nur rund eine Zehntelsekunde. „Das können wir ja in Vancouver nachholen“, meinte Sebastian Praus. Das meint der 29-jährige vom EV Olympia Mainz durchaus ernst: „Auf keinen Fall wollen wir als Touristen hinfahren. Unser Ziel ist der Einzug ins Finale, und dann ist im Shorttrack alles möglich.“

Mit seiner Leistung in den Einzelrennen war Praus hingegen nicht zufrieden. „Trotz meiner Erfahrung hat mir die Anspannung doch ganz schön zu schaffen gemacht, ich habe eigentlich deutlich mehr drauf, als ich hier gezeigt habe“, sagte Praus, der zugleich Athletensprecher der Shorttracker ist, „wenn die harte Arbeit von vier Jahren in nur zwei Wettkämpfen bewertet wird, und das bei einer zuweilen unberechenbaren Sportart wie unserer, ist der Druck – hop oder top! – eben unheimlich groß.“

Da Deutschland durch die Staffelteilnahme voraussichtlich mit dem maximalen Kontingent von fünf Männern nach Vancouver reisen wird, kann Praus auch auf einen Einzelstart hoffen. Nach den Ergebnissen von Montreal und Marquette wird der Weltverband ISU den Deutschen wahrscheinlich drei Startplätze über 1500 Meter und jeweils zwei über 500 und 1000 Meter gewähren. Durch die Teilnahme der Staffel werden dann auch alle Einzelstartrechte wahrgenommen.

Anders hingegen die Situation bei den Frauen. Wahrscheinlich werden Deutschland durch die ISU zwei – vielleicht drei – Teilnehmerinnen zugestanden, mit je zwei Startplätzen pro Strecke. Hier geht es um Nationenstartplätze. Für den Deutschen Olympischen Sportbund ist die Wahrnahme von Startmöglichkeiten allerdings an eine Endkampfchance gebunden. Und nur Aika Klein hat die DOSB-Norm für die persönliche Qualifikation erfüllt. Susanne Rudolph hat die Norm am Sonnabend und Sonntag in Marquette jeweils knapp verfehlt.

„Wer im Shorttrack unter den 32 Besten der Welt ist, kann auch jederzeit unter die besten acht laufen“, sagt Éric Bédard, „ich werde beim DOSB mit guten Argumenten darum kämpfen, mehr als einen Startplatz zu besetzen.“ Dabei denkt er sicherlich auch an Susanne Rudolph. Sie ist die beste deutsche 500-Meter-Läuferin, war im Weltcup des Vorjahres zweimal auf Platz sechs gelaufen, hatte diesmal aber nicht das zuweilen nötige Quentchen Glück.

Insgesamt zollt Bédard aber allen deutschen Shorttrackern ein Riesenlob. „Alle haben sie gekämpft und alles gegeben. Die Situation war hier nicht einfach, der Druck war groß. Die Staffel-Schiedsrichterentscheidung von Montreal war besonders schmerzlich. Wir lagen in Führung und Südkorea hat regelwidrig innen überholt. Eigentlich hätte Südkorea disqualifiziert werden müssen.“ Aus einer geschlossenen Mannschaft hob der Bundestrainer besonders Robert Seifert hervor. „Wie der Junge nach seiner schweren Verletzung wiedergekommen ist und sich entwickelt hat, unglaublich“, meint Eric Bédard, „aber auch Aika Klein, Susanne Rudolph, Tyson Heung und Paul Herrmann haben sich gegen die Weltspitze absolut teuer verkauft.“

Indirekt hat Robert Seifert sogar ein Argument für Bédards Kampf um eine weitere Nominierung für die Frauen geliefert. Um die DOSB-Norm zu erfüllen, musste der 21-jährige das Viertelfinale erreichen. Im Achtelfinale bekam es Seifert aber gleich mit zwei olympischen Gold-Anwärtern zu tun, dem weltcupführenden Charles Hamelin (Kanada) und dem zweimaligen Olympiasieger Apolo Ohno (USA). Seifert lieferten beiden ein großes Rennen, landete am Ende doch auf Platz drei – aber gehörte zu den zeitschnellsten Dritten, die das Viertelfinale erreichten. Ein falscher Schritt, ein winziger Fehler, und die Zeit hätte nicht gereicht: Tyson Heung, ebenfalls Achtelfinal-Dritter, musste mit zwei Zehntelsekunden mehr ausscheiden. Doch nach dieser knappen Geschichte lief Seifert sensationell weiter, überstand auch das Viertelfinale und kratze im Halbfinale sogar am Einzug ins A-Finale. Dann gewann der mit Deutschem Rekord das B-Finale, wurde 500-m-Fünfter. Das alles hätte er mit einem falschen Schritt im Achtelfinale nicht gekonnt.

Zwei körperlich und nervlich anstrengenden Wochen und anderthalb Jahren ohne echten Urlaub folgt für die deutschen Auswahlläufer – ungeachtet des olympischen Lohns ihrer Fron – jetzt erstmal ein zehntägiges Luftholen. „Ich habe allen freigegeben, sie haben es verdient“, sagt Éric Bédard, „die Regenerations-Pause war von vorn herein im Saisonplan so vorgesehen. In zwei Wochen starten wir in Dresden einen neuen Formaufbau für die Europameisterschaften und die Olympischen Spiele.“

Nachdem die Anspannung erst einmal von den Sportlern abgefallen ist, saßen sie am Sonntagabend ausnahmweise mal bis nach Mitternacht beisammen. Tränen trocknen, Triumphe feiern. Und einen Geburtstag: Paul Herrmann wird am Montag 24. Herzlichen Glückwunsch!

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