Anti-Doping-Kämpfer aus Überzeugung
Zwei Namen mit denselben Initialen: HK. Heidi Krieger, Kugelstoß-Europameisterin von 1986, war ins Doping-Programm des DDR-Sports eingebunden, bekam schon als Minderjährige ohne ihr Wissen Anabolika verabreicht. Später litt sie unter gesundheitlichen Spätfolgen. Der Gedanke liegt nahe, dass auch ihre Geschlechtsidentitätsstörung zumindest teilweise damit zusammenhing. Krieger unterzog sich einer geschlechtsangleichenden Operation und nahm den Namen Andreas an. Zugleich setzte sich seit Jahren für die Rechte von Dopinggeschädigten und den Kampf gegen Doping ein.
In der aktiven Amateurkarriere des anderen HK – Horst Klehr – war Doping kein Thema. 1955 war Klehr (Jahrgang 1930) pfälzischer Meister im 400-Meter-Lauf. Selbst wenn der gekonnt hätte – er hätte nicht gewollt. Als Apotheker wusste er stets um die Nebenwirkungen von Medikamenten. So war er in seiner späteren Karriere als Leichtathletik-Funktionär, als Doping immer mehr ein Thema wurde, stets ein großer Warner und Mahner. „Der Betrug am sauberen Konkurrenten und am Zuschauer ist das eine“, sagt Klehr rückblickend, „das andere ist das riesige Gesundheitsrisiko für jeden, der sich mit Anabolika vollpumpt.“
Noch ein Jahr vor ihrem durch Doping verursachten Tod habe Klehr der Mainzer Zehnkämpferin Birgit Dressel († 1987) ins Gewissen geredet. „Viele Todesopfer könnten heute noch leben, wenn die Funktionäre im Westen nicht die Augen verschlossen hätten“, sagt Klehr und nennt den Eiskunstläufer Heiko Fischer († 1989), den Hammerwerfer Michael Klein († 1993) und den Kugelstoßer Ralf Reichenbach († 1998).
Klehr, maßgeblicher Initiator der Dopingkommission des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV), die von 1970 bis 1976 leitete, war an der Erstellung der weltweit ersten Dopingliste beteiligt. Bis 1978 arbeitete er auch international als Kontrolleur. Immer wieder hat er beteiligte Ärzte und dopingtolerante Funktionäre beim Namen genannt, ehe er den DLV resigniert verließ. „Ich erinnere mich an ein Gespräch von 1977 mit dem damaligen NOK-Chef Willi Daume“, sagt Klehr, „vier Stunden lang hatte ich argumentiert und belegt, was damals über die Dopingmachenschaften der Ärzte Keul und Klümper bekannt war und dass man nicht weiter mit ihnen zusammenarbeiten könne. Dann zog Daume ein entlarvendes Fazit: Es wäre ja möglich, dass einer vom Saulus zum Paulus würde. Punkt, Ende“
Nachdem er den DLV im Zorn verlassen hatte, engagierte sich Klehr in der Deutschen Eisschnelllauf-Gemeinschaft. Bereits 1966 initiierte er die Gründung des Mainzer Eissport-Clubs, dem er 23 Jahre lang vorstand. 1990 setzte er diese Tradition mit der Gründung des EV Olympia Mainz fort. Ab 1981 richtete Klehr in Frankfurt unter der Bezeichnung “Olympischer Tag” zehnmal internationale Eisschnelllauf-Meetings aus. Doch schon in dieser Zeit erkannt er, dass das seit 1977 offiziell vom Eislauf-Weltverband ISU anerkannte Shorttrack eine groβe Zukunft besitzt. Von 1981 bis 2006 war Klehr Shorttrackwart in der DESG. 1983 initierte Klehr, von 1982 bis 1984 DESG-Vizepräsident, in Mannheim die ersten Deutschen Meisterschaften. In den 90er Jahren hat Klehr das seitdem jährlich ausgetragene Shorttrack-Meeting „Olympischer Tag” in Dresden etabliert.
Der heute 79-jährige Klehr hat sich nach privaten und gesundheitlichen Rückschlägen weitgehend aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Zur Auszeichnung mit dem Heidi-Krieger-Preis aber ist er nach Berlin gefahren, denn der Kampf gegen Doping ist nach wie vor ein Anliegen, hinter dem er hundertprozentig steht. Mit Interesse verfolgt er den sportlichen Weg des für „seinen“ Mainzer Verein startenden Sebastian Praus. „Ich drücke allen deutschen Shorttrackern die Daumen, aber Sebastian besonders“, sagt Klehr, „ich wünsche ihm so sehr, dass er noch einmal zu Olympischen Spielen kommt.“ Klehr, der sich trotz aller (Doping-)Auswüchse zum olympischen Gedanken bekennt, hat es zwischen 1956 und 2006 – teils als Fan, teils als Funktionär – auf die rekordverdächtige Zahl von an 24 Teilnahmen an Olympischen Winter- und Sommerspielen gebracht.
„Horst Klehr hat sein ganzes Leben dem Sport gewidmet, in der Leichtathletik und im Eissport, und er hat sich dabei immer auch für den sauberen Sport eingesetzt, in diesem Einsatz war er mutig und auch oft unbequem“, sagt DESG-Sportdirektor Günter Schumacher, „es ging ihm aber nie um seine Person, sondern immer um die Sache. Mit dem Heidi-Krieger-Preis wurde dieses Lebenswerk noch einmal in ganz besonderer Weise gewürdigt.“
Matthias Opatz