Grüße aus Seoul – Teil 2
Matthias Opatz berichtet für desg.de aus Seoul
WM-Tagebuch- Donnerstag
Die Taeneung-Eissporthalle wird jeden Tag ein Grad wärmer, und das Eis wird jeden Tag eine Winzigkeit besser. “Am Freitag wird sehr gutes Eis sein”, sagt Jörg Dallmann, der, obwohl er gerade ein paar Stunden koreanischen Boden unter den Füßen hat und nie zuvor hier war, aus Erfahrung spricht. Aus Sabine Völkers Erfahrung. “Sie war ja schon ein paarmal hier und hat erzählt, bisher sei es jedes Mal so gewesen, unmögliches Eis an den Trainingstagen, Sahne-Eis zum Wettkampf.”
Für ein paar Grad mehr in der Eishalle könnten auch volle Zuschauerränge sorgen. Doch wieviele kommen, vermag noch niemand zu sagen. Als ein paar holländische Fans schon vor Monaten ihre Karten ordern wollten, bekamen sie zur Antwort: Das geht nicht. Der Eintritt ist frei. Somit gibt es auch kein Interesse-Barometer via Kartenvorverkauf. So oder so, auf dem Eis wird es ab Freitag heiß hergehen.
Notizen aus der deutschen Mannschaft
Nachzügler. Ihre ersten Schritte auf dem Seouler Eis machte am Freitag Lucille Opitz. Die wegen noch nicht sicherer Startberechtigung erst später nominierte Berlinerin war erst am Mittwoch angekommen und hatte sich bis dahin in Berlin vorbereitet. “Kalt wars da auch, aber das Eis ist völlig verschieden – in Berlin war’s hart, hier ist es ganz weich. Naja, mal sehen, was sich morgen damit anfangen lässt.
Bummelletzer. Noch einen Tag nach Opitz kam am Donnerstag der ebenfalls nachnominierte Jörg Dallmann (Erfurt) an. “Zum Glück war mein Flug nicht ausgebucht, und ich konnte mich auf einer Sitzreihe langmachen”, meint Dallmann.
Nase zu! Am liebsten ein Klammer auf die Nase setzen würde sich Rene Taubenrauch. Der Langstreckler ist irritiert von den landesüblichen Gerüchen. “Überall, wohin man kommt, riecht es irgendwie nach was, was man nicht genau definieren, überall anders, und oft nicht besonders angenehm, jedenfalls für meine Nase.” Auf den Magen schlägt ihm das aber zum Glück nicht. “Das weiß man wenigstens, warum es riecht. Klar haben wir auch mal einheimische Küche probiert, süß-sauer oder auch mal ‘ne Heuschrecke, nur Huhn lassen lieber beiseite. Ansonsten hält man sich an europäische Gerichte, oder wir gehen zur Abechslung auch mal Pizza essen.” In der Stadt gefallen “Taube” am besten die Märkte, “weil man dort handeln und feilschen kann, das ist meine Welt.”
Sachsen-Power. Die sächsischen Langstreckler Jens Boden (Dresden) und Frank Dittrich (Chemnitz) holten sich am Donnerstag noch einmal das passende Eisgefühl für ihre 5000-m-Starts am Freitag. “Im Großen und Ganzen war es aber nicht meine Saison”, sagt Boden, “vor allem das Vierteljahr Pause ohne einen einzigen Wettkampf auf den langen Kanten war tödlich. Naja, mal sehen, was wir hier noch rausreißen können.”
Rückkehr nach Seoul nach 16 Jahren
Berlinerin Claudia Pechstein – (k)ein neues Gesicht in der Trainingsgruppe Gneupel
Erstmals seit Einführung der Einzelstrecken-Weltmeisterschaften fehlt in Seoul ein bekanntes Gesicht an der Eisbahn, das von Trainer Achim Franke. Der Berliner musste sich kurzfristig einer Hüftoperation unterziehen – und Claudia Pechstein steht seit drei Wochen ohne ihren Trainer da. Oder doch nicht? Wer Pechstein und den Erfurter Stephan Gneupel in diesem Tagen beim Training in Seoul miteinander umgehen sah, könnte meinen, es sei schon immer so gewesen.
“Neu ist die Konstellation jedenfalls nicht. Frankes und meine Trainingsgruppe arbeiten schon seit vorigen Sommer sehr eng zusammen”, sagt Gneupel, “Claudia war schon öfter zum Eistraining in Erfurt, auch im Trainingslager haben wir gemiensame Einheiten auf Rad und Rolle absolviert. Franke und ich haben unsere Trainingspläne bis Turin 2006 eng aufeinander abgestimmt.”
Und selbst, als diese Zusammenarbeit begann, war Pechstein alles andere als eine Unbekannte für Gneupel. “Ich kenne ihre Stärken und Schwächen seit Jahren in- und auswendig”, sagt Gneupel, “das kann auch gar nicht anders sein, denn als ich Gunda Niemann noch trainiert habe, war Claudia ihre härteste Konkurrentin. Und wer seine Konkurrenz nicht studiert, macht etwas verkehrt.”
Ist aus der Rivalin nun praktisch der eigene Schützling geworden? “Ganz so ist es nicht”, sagt Gneupel, “Ich baue nur auf den Grundlagen auf, die Achim Franke gelegt, mein Einfluss hier ist begrenzt. Und ich gehe auch davon aus, dass Franke weitermacht. Ich war kurz vor dem Abflug bei ihm, er hat die Operation gut überstanden, und wir sind auch jetzt telefonisch in Kontakt.”
Claudia Pechstein selbst konzentriert sich auf ihre beiden Starts an Sonnabend (3000 m) und Sonntag (5000 m). “Klar will jeder gewinnen, und ich auch”, sagt sie, “da nützt es nichts, über schlechtes Eis zu lamentieren, das haben am Ende auch die anderen, die mich schlagen wollen.” An Seoul müsste die Berlinerin eigentlich gute Erinnerungen haben: 1988 (vor 16 Jahren!) wurde sie hier Vizeweltmeisterin der Junioren. “Ach, das ist so lange her, ich habe hier nichts wiedererkannt. Das war ja auch noch nicht diese Halle, sondern eine Freiluftbahn.”
Möglicherweise bekommt Gneupel nun doch noch etwas mehr Arbeit mit Claudia Pechstein. Gestern abend zog Renate Groenewald (Niederlande), größte Rivalin Pechsteins in dieser Saison, ihre Meldung über 1500 Meter zurück. “Sie war krank. Ob Groenewald über die langen Strecken startet, ist noch unklar. Wenn nicht, läuft Claudia beide Male gegen Anni Friesinger, das wäre eine völlig neue Konstellation. Denn Friesingers schneller Angang passt nicht zu Pechsteins gleichmäßigen Runden. Aber auch da werden wir uns was einfallen lassen.”