Grüße aus Seoul – Teil 1
Matthias Opatz berichtet für desg.de aus Seoul
WM-Tagebuch- Mittwoch
Abflug nach Seoul via Frankfurt und Amsterdam – mehr als eine Tagesreise, denn – die Zeitverschiebung hinzugenommen – die Ankunft erfolgte erst am nächsten Tag. Doch langweilig wars nicht. In Amsterdam stießen einige holländische Journalistenkollegen hinzu, so dass es erstmals Gesprächsstoff gab. Zum Beispiel über die sonderbare Preisgestaltung mancher Fluggesellschaften. Denn, wie sich herausstellte, waren die Niederländer gar nicht in Amsterdam dazugestoßen, sondern in Düsseldorf losgeflogen. Der Non-Stop-Flug ab Amsterdam wäre einige Hundert Euro teurer gewesen als die Verlagerung ab Düsseldorf.
Kaum hatten wir in Seoul koreanischen Boden unter den Füßen, entdeckten wir auch schon das erste WM-Plakat. Ein Helfer des Orgkomitees, der einige Athleten abholte, hielt es in der Empfangshalle wacker nach oben. Doch es sollte vorläufig das letzte sein, was wir zu sehen bekamen. An Anschlagwänden war es nirgends zu entdecken. Auch die Aktiven haben keine Ahnung, wie die Resonanz der Weltmeisterschaft sein wird. Genug potenzielle Besucher gibt es in der Hauptstadt jedenfalls: Mit Vororten zählt Seoul mehr als 10 Millionen Einwohner.
Notizen aus der deutschen Mannschaft
Eis-Halle. Ob Claudia Pechstein, Anni Friesinger oder Gunda Niemann, alle waren sich in einem einig: Kalt! Gemeint ist aber weniger die Außentemperatur als jene in der Eissporthalle – eine Eishalle im doppelten Sinne also. Inzwischen haben sich die deutschen Läufer damit arrangiert, und einige kleinere Schnupfen waren nach zwei, drei Tagen auskuriert.
Shopping. Zahlreiche deutsche Eisschnellläufer nutzten die Zeit zwischen den Trainingszeiten zu einem Einkaufsbummel in Downtown Seoul. “Ich hab schon drei Streifzüge hinter mit und bin jedes Mal mit vollen Taschen ins Hotel zurückgekommen”, erzählt Anni Friesinger, “das Lotte-Kaufhaus ist einer echter Geheimtipp, dort gibt es derzeit schicke Markenklamotten im Schlussverkauf.” Die Inzellerin war wieder mit ihrer Freundin und Trainingskollegin Barbara de Loor (Niederlande) auf Shopping-Tour.
Jetlag-Trick. Während die meisten DESG-Starter bereits Mitte voriger Woche in die südkoreanische Hauptstadt Seoul aufgebrochen sind, um die Zeitverschiebung besser zu verkraften, erfuhr Jörg “Hugo” Dallmann (Erfurt) erst am späten Montagabend von seiner Teilnahme. Der nationale Verband DESG musste erst den offiziellen Meldeeingang abwarten, ehe feststand, dass der Erfurter als erster Nachrücker in das limitierte Teilnehmerfeld rückt. Doch statt sofort abzufliegen, hat Dallmann noch gewartet und trifft erst heute in der Zehn-Millionen-Stadt ein. “Vielleicht kann ich so dem Jetlag ein Schnäppchen schlagen, der erst nach zwei, drei Tagen richtig zuschlägt. Dann habe ich mein Rennen hinter mir – Freitag Eistest, Sonnabend Wettkampf.” Allerdings hat “Hugo” bereits in den zurückliegenden Tagen, als er in Berlin trainiert hat, seinen Schlafrhythmus allmählich um zwei Stunden verschoben. Das Laufen in kalter Halle konnte Dallmann in Berlin zudem ebenso gut trainieren wie in Seoul.
Wählerisch. Eine reiche Auswahl steht den Athleten zu den Mahlzeiten im offiziellen ISU-Hotel “Olympia” zur Verfügung. Manches ist allerdings nicht jedermanns Sache. “Ich bin eigentlich jemand, der gern mal was anderes ausprobiert”, sagt Gunda Niemann, “aber die Heuschrecken neulich waren auch nichts für mich. Aber soweit ich das beobachten konnte, war die Reaktion bei den anderen Läufern auch nicht gerade überschwänglich. Na ja, für mich war zum Glück genug anderes da.”
Zukunftsaussichten. DESG-Sportdirektor Günter Schumacher, der im Weltverband ISU der “Coaches Commission” (Trainerrat) vorsteht, ist überzeugt, dass die Anträge auf Aufnahme sowohl der 100 Meter und nach den olympischen Weihen erst recht des Mannschaftsrennens beim ISU-Kongress im Juni in Scheveningen (Niederlande) positiv entschieden werden. Gänge es nach dem Trainerrat, ist die Aufnahme schon so gut wie beschlossen. Schumacher: “Wir werden aber noch einmal darauf hinwirken, dass sich Trainer auch in ihren nationalen Verbänden dafür stark machen, deren Vertreter die Entscheidung beim ISU-Kongress dann fällen.”
Blonde Stecknadel zwischen tausenden schwarzen
Wenn am Freitag in Südkoreas Hauptstadt Seoul die Einzelstrecken-Weltmeisterschaften der Eisschnellläufer beginnen, ist es für Gunda-Niemann Stirnemann (ESC Erfurt) nach ihrem Comeback die erste WM. Mit dem Traum von einer Medaille über 5000 Meter, aber auch neugierig auf Land und Leute, ist Gunda Niemann-Stirnemann auf die koreanische Halbinsel gekommen. Und Ausflüge ins Zentrum der pulsierenden Millionenmetropole waren für die Thüringerin genau das richtige Mittel gegen Jetlag, jene Mattigkeit zur immer falschen Zeit, mit der der Körper auf die acht Stunden Zeitverschiebung reagiert. Da heißt es: Nur nicht zur falschen Zeit müde werden oder gar schlafen, sondern Körper und Geist dem veränderten Tag-Nacht-Rhythmus unterordnen.
Dabei hat Gunda schon eine ganze Menge gesehen: “Das Markttreiben ist ziemlich aufregend, angefangen von den exotischen Dingen, die dort feilgeboten werden, bis zu den Menschenmassen. Mein Mann Oliver konnte mich aber praktisch nicht verlieren, ich war da praktisch immer der leuchtenden unter Tausenden schwarzen Käfern.” Am Mittwoch besuchte Gunda den Park am Gyenongbokgung-Palast und konnte sich einen Schabernack mit dem in historischen Uniformen aus dem 16. Jahrhundert aufgezogene Kaisergarde nicht verkneifen. Niemann: “Aber keine hat auch nur eine Mine verzogen. Na ja, Hauptsache bei unseren Wettkämpfen gehen die Koreaner ein bisschen aus sich heraus.”
Mit den Bedingungen in der Taeneung-Halle waren Gunda Niemann-Stirnemann und die anderen deutschen Eisschnellläufer allerdings noch nicht so ganz zufrieden. “Die Halle ist ziemlich kalt, mit der Erfurter gar nicht zu vergleichen, und das Eis scheint recht hart zu sein”, so die 37jährige, “aber ein paar Grad wärmer ist es in den letzten Tagen schon geworden.” Grund dafür sind die gestiegenen Außentemperaturen. Waren es bei der Ankunft in Seoul bis minus acht Grad, ist das Thermometer gestern bis auf 15 Grad geklettert und hat die letzten Schneereste getilgt.