Historie 7: Die Entstehung des Eislaufens
oder wie die Kuh vom Eise kam
– Eine nicht ganz ernst gemeinte Geschichtsstunde –
Von Dirk Gundel
Wenn Forscher über längst vergangene Ereignisse berichten, hat der staunende Leser am Ende oft der Eindruck, als sei der Autor dabei gewesen.
Viele Forscher verderben aber bekanntlich den Brei und wenn die Holländer, die Norweger, die Isländer oder gar die Engländer behaupten, dass die ersten Schlittschuhe etwa im Jahre 1000 vor unserer Zeitrechnung bei ihnen gebaut wurden, muss sich ja jemand irren.
So möchte ich die Gunst der Stunde nutzen und heute über den wirklich ersten Eisläufer schreiben.
Um seine Anonymität zu bewahren, nennen wir ihn Frosty. Frosty war weder Engländer, noch Norweger, Isländer, Friese, Holländer oder Ungar. Nein Frosty war Lausitzer !
Jawohl, ein Angehöriger des kleinen Volkes im Osten Deutschlands, dass Eindringlingen seit fast 3000 Jahren erbitterten Widerstand leistet. Die Lausitzer waren schon da, als die Kelten kamen, sie tarnten sich als Germanen, vermischten sich mit den Sachsen und Preuβen und spielten sogar in der Fuβballbundesliga. Der erste Eisläufer konnte nur ein Lausitzer sein.
Frosty lebte vor etwa 3050 Jahren, die Bronzezeit ging dem Ende zu, die Eisenzeit stand unmittelbar bevor, dementsprechend waren die ersten Schlittschuhe aus – nein dazu später.
Frosty wohnte mit seiner Sippe auf einer Anhöhe, die sich in der heutigen Ortschaft Berlin-Spandau befindet. Schon damals lebten viele Millionen Menschen in der Gegend, fast alle waren vom Stamme der Lausitzer. Erstes Handwerk entstand und die Siedlungen trieben Handel untereinander. Arbeitslosigkeit war damals noch nicht bekannt, dass Einwanderungsproblem stand den Lausitzern aber unmittelbar bevor.
Frosty war ein Krieger, der das Privileg eines eigenen Pferdes besaβ. Reste dieses Pferdes sind im Märkischen Museum zu Berlin noch immer ausgestellt. Er war mit zwei Speeren bewaffnet und für die Kontrolle des Siedlungshandels verantwortlich.
Es war ein schönes Leben, wenn da nicht der Winter wäre. Armani, Versace, Klein oder Lagerfeld gab es damals noch nicht, zumindest waren keine Läden in der Nähe, und so hüllte man sich in Felle. Und da Frosty privilegiert war, hatte er sich in feinstes Schafsfell gehüllt. Doch das Problem waren die Füβe. Sobald man den eiskalten und nassen Boden betrat, froren diese. Gucci und seine Vorfahren brauchten noch 2500 Jahre, ehe sie vernünftiges Schuhwerk bereitstellten.
Und so blieb Frosty so lange wie möglich auf seinem Pferd sitzen. Und dies wurde jenem zum Verhängnis. Als eine Kuh auf das Eis des zugefrorenen Stresow lief, ritt Frosty ohne Zögern hinterher. Doch das Pferd kam auf dem glatten Geläuf zu Fall und brach sich ein Bein. Frosty beendete das Leiden des Pferdes und … na ja das ersparen wir uns.
Doch das Problem war noch nicht gelöst “Wie bekomme ich die Kuh vom Eis ?” fragte sich Frosty ohne zu ahnen, dass dies auch noch drei Jahrtausende später eine oft gestellte Frage ist.
Und während er in Gedanken versunken am Ufer saβ, ruhten seine Füβe auf den Knochen des verblichenen Pferdes und da ihm die Füβe nicht mehr kalt waren, kam ihm die rettende Idee.
Mit seinen Speeren bohrte er Löcher in die Mittelhandknochen seines treuen Gaules, führte Sehnen durch die Löcher und band sich die Knochen unter die Füβe. Das Gehen fiel Frosty zwar schwer, aber die Füβe kamen nicht mit dem Eis in Berührung. So näherte er sich Schritt für Schritt der staunenden Kuh und gerade als er diese am Schwanz packte, lief diese davon. Und Frosty, immer noch am Schwanze hängend, glitt über das Eis wie ein “Vogel in der Luft”.
Er lieβ die Kuh Kuh sein, schnappte sich seine Speere und stieβ sich damit ab. Und fast schneller als mit dem Pferd gelangte er an seine Siedlung. Dort schnallte er die Knochen ab und berichtete über seine Erfindung. Die Kuh aber, die derart Sonderbares noch nie sah, lief staunend hinter Frosty her und kam von ganz allein vom Eis.
Vor Aufregung vergaβ Frosty jedoch wo er die Knochen abgelegt hatte und erst knapp 3000 Jahre später wurden diese wieder gefunden.
Und so nahm er den Unterarmknochen des Pferdes, bohrte Löcher hinein, schnallte sie mit Sehne an den Füβen fest und ging auf Welttournee.
In Norwegen erlegte er ein Rentier und lieβ die Pferdeknochen vor Ort, in Island erlegte er einen Hirsch, schlieβlich in England ein wildes Pferd.
Später fand man in diesen Ländern seine zurückgelassenen Knochen und behauptete frech, dass die ersten Knochenschlittschuhe dort entstanden sind.
Wir wissen es nun aber besser.
Den ersten Eisläufer kennen wir nun, aber wer war die erste Eisläuferin ?
Die Damen taten sich schwer mit dem Eislauf. Lag es an der Mode ? Oder waren sie nur einfach clever, indem sie sich bequem auf den Schlitten sitzend durch den Manne über das Eis ziehen lieβen ? Selbst Goethe und Klopstock lieβen dieses Geheimnis im Dunkeln.
Und so war es eine Heilige, die als erste in die Eislaufgeschichte eingeht, und da wir uns in Deutschland mit Heiligen schwer tun, war es eine Niederländerin, die den Bann brach, im wahrsten Sinne des Wortes. Lydwina (Bild), die Jungfrau von Schiedam (so steht es zumindest in den Annalen und einige wenige kennen diese Bezeichnung auch noch heute) wurde 1380 geboren. 16 Jahre später verunglückte sie beim Eislauf über einen Kanal so schwer, dass sie zeitlebens ans Bett gefesselt blieb. Das war nun gar nicht die Werbung, die das Eislaufen brauchte und warum nun ausgerechnet sie als Schutzpatronin des Eissports ausgewiesen wurde, ist eine interessante Frage für die Forscher. Eine überzeugende Antwort wurde darüber noch nicht gegeben.
1616 (185 Jahre nach ihrem Tod) wurde Lydwina selig gesprochen, und mit dem Eislaufen ging es fortan aufwärts, behauptet man zumindest.
Da Lydwina alle Tiere liebte, kam für sie das Laufen auf Knochen nicht in Frage und so erfanden die Holländer die Holzschlittschuhe mit einer Laufschiene aus Eisen. Doch noch 500 Jahre später gab es armes Volk in Deutschland, dass auf Ochsenrippen über das Eis lief, und ohne einzubrechen weit mehr Spaβ als Lydwina hatte.
Was war nun aber mit den deutschen Damen ?
Im Jahre 1784 empfahl der bedeutende Mediziner Johann Peter Frank in seinem Werk “Medizinischen Polizey” ganz eindringlich das Schlittschuhlaufen und mit einem Seitenblick auf das benachbarte Holland wünscht er “dass auch das weibliche Geschlecht daran teilnehme” und schreibt “dass sich dieses in den Niederlanden kräftig genug fühle, um der Kälte mit flinkem Fuβe Trotz zu bieten, während unsere zimperlichen Dinger hinter dem Ofen Filet stricken”.
Die vielen Fremdworte lassen sich bei Originalzitaten nur schwer vermeiden, deshalb für die jungen Damen zur Erklärung: Stricken ist eine Kunst um z.B. aus Wolle mit Hilfe von zwei Nadeln einen Pullover herzustellen. In den uralten Zeiten bis um 2000 herum beherrschten viele Frauen und wenige Männer diese Technik.
Aber man konnte die Damen verstehen, selbst zu Beginn des 20.Jahrhunderts wurden sie noch schief angesehen, wenn sie in ihren Langen Röcken, mit denen kaum das Laufen an Land möglich war, über das Eis schwebten.
Also kürzten sie die Röcke, was aber nun noch viel schlimmer war. So schreibt der Dresdener Eiskunstlaufexperte Dr. Heinrich Wizner im Jahre 1924: “… Das zeigten die dünnen kurzen Röckchen der Damen bei den Wettläufen gegen Ende der schönen Zeit der Eispaläste in Berlin (er meinte damit vermutlich 1912/13), die bei ruhiger Bewegung kaum noch das Knie, bei heftiger Drehung aber überhaupt nichts mehr von den Beinen bedeckten, sehr zum Nachteil des ästhetischen Anblicks ihrer Trägerinnen…”
Offenbar haben sich die ästhetischen Ansichten seit damals, nicht nur bei den Damen, sehr verändert. Wozu die Berliner sagen würden “Und das ist auch gut so”!